Jasna Góra

Jasna Góra

Sonntag, 1. März 2015

Noch ist Polen nicht verloren...

Ich hatte ja versprochen, dass ich hier auch noch schreiben möchte, wie ich den Weg zu Gott gefunden habe. Diejenigen, die schon länger mitlesen, warten vielleicht schon darauf. Ich schreibe das auch noch, aber der Artikel braucht etwas mehr Reflexion. Da ich dafür gerade nicht so viel Zeit habe, schreibe ich jetzt erstmal, warum es mir in Polen so gut gefällt.

Zum einen hat das natürlich mit meinen bereits geschilderten Erfahrungen im Sprachunterricht zu tun. Vor der polnischen Sprache sind alle gleich. Außerdem: Ich habe 5 Fremdsprachen gelernt, aber in keinem Kurs habe ich so sehr gelacht, wie im Polnisch-Kurs. Das lag nicht nur an der schwierigen Aussprache, sondern auch an der sehr komplexen Grammatik. O-Ton eines Muttersprachlers: Im Polnischen gibt es keine Regeln, nur Ausnahmen. Herrlich!

Auch sonst ist Polen ein sehr schwerhörigenfreundliches Land. Nehmen wir einmal an, ich stehe irgendwo an der Kasse, im Supermarkt, im Coffee-Shop, in der Bäckerei... Ich verstehe den Preis nicht und die Anzeige an der Kasse ist so gedreht, dass ich sie nicht sehen kann. Ich sage also: "Entschuldigung, ich bin schwerhörig." Natürlich kann man darübe streiten, ob dieser Satz angemessen ist, oder ob ich besser etwas anderes sagen sollte. Worauf ich hinauswill, ist: In Deutschland schauen mich die Kassiererinnen und Kassierer dann immer nur an, und schauen und schauen. Wenn ich Glück habe, kommen sie dann irgendwann mal auf die Idee, den Preis zu wiederholen. In Polen hingegen drehen die Kassiererinnen blitzschnell die Anzeige so hin, dass ich sie lesen kann. Falls das nicht möglich ist, holen sie Zettel und Stift raus, und schreiben auf. Von sich aus! Ohne dass ich sie darum bitten muss! Sie packen Zettel und Stift aus, ohne dabei entnervt zu stöhnen! Das ist so unglaublich!

Diese Hilfsbereitschaft trifft man überall an, bei der Post, bei der Bank, in der Bibliothek. Und was ich einfach toll finde, ist diese Selbstverständlichkeit, mit der die Leute das machen. Als hätten sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht, als mit Hörgeschädigten zu kommunizieren. Und sie vermitteln mir auch nie den Eindruck, als ob ihnen das alles zu viel wäre.

Warschau, Schlossplatz

Auch sonst habe ich das Gefühl, dass die Leute in Polen sensibler sind, viel mehr mitdenken und deswegen leise Andeutungen besser verstehen. Ich bin zum Beispiel einmal vor der Kathedrale auf dem Wawel gestanden. Der Sekretär von Kardinal Dziwisz verteilte Gebetsbildchen musste dann aber gehen und drückte einem Mann den ganzen Stapel in die Hand, mit der Bitte, sie weiter zu verteilen. Ich wollte auch gerne so ein Gebetsbildchen haben, wollte den Mann aber nicht unterbrechen, denn er unterhielt sich sehr angeregt mit einer Gruppe von Leuten. Eine Frau hat mich jedoch bemerkt, nahm dem Mann ein Bildchen aus der Hand und reichte es mir. Solche Situationen erlebe ich in Polen oft und ich finde es unglaublich faszinierend, wie feinfühlig die Leute sind, und wie gut sie eben auch indirekte Kommunikation verstehen.

Warschau, Altstadt
In Deutschland hingegen wird immer erwartet, dass man alles sagt, und dass man es eben in direkter Weise - gerade heraus - sagt. Man kann das gut und richtig finden. Mir selbst ist das oft unangenehm, weil die lautsprachliche Kommunikation für mich trotz aller Bemühungen doch so eine Art rotes Tuch ist. Da finde ich die feinfühlige polnische Art, wo man auch mal indirekt kommunizieren kann, einfach angenehmer. Außerdem bin ich durch meine Schwerhörigkeit daran gewöhnt, mir viele Gedanken zu machen, mitzudenken, Gestik und Mimik zu interpretieren.

Außerdem merke ich immer, dass man sich im Antiplanungsland Polen viel besser auf die göttliche Vorsehung verlassen kann. In Deutschland wird alles geplant und organisiert, und da bleibt dann einfach kein Platz für die göttliche Vorsehung. Nur ein Beispiel: Ich war einmal für 15 Uhr bei einer Ordensschwester eingeladen. Wir hatten nur ausgemacht, dass ich sie besuche. Sonst nichts. Ich hatte an dem Tag viel zu tun, und hatte es nicht geschafft, zu Mittag zu essen. Das ist in meinem Fall nicht ganz unproblematisch, da ich ein bisschen "vom Fleisch falle". Ich dachte mir: "OK, ich bin in Polen, es wird ja immerhin Kuchen geben, und dann esse ich halt heute Abend richtig." Ich kam also zu der Schwester und siehe da: Auf dem Tisch stand ein Mittagessen inklusive Kuchen als Nachtisch! Das wird man in Deutschland so nicht erleben, da deutsche Gastgeber grundsätzlich davon ausgehen, dass der Gast sich schon selbständig um sein Mittagessen gekümmert hat.

Krakau

Es ist in Polen auch viel einfacher, katholisch zu sein. Zwar weht in den Medien ein ebenso rauher Wind, wie anderswo, und natürlich sind auch in Polen bei weitem nicht alle Menschen praktizierende Katholiken. Aber die katholische Welt ist doch sehr viel größer als in Deutschland. Als praktizierender Katholik steht man in Deutschland im alltäglichen Umfeld (Arbeit, Schule, Sportverein etc.) ja doch sehr oft allein auf weiter Flur. Das ist in Polen eben nicht so. Gläubige Katholiken kann man überall treffen, nicht nur in der Kirche, auch in der Uni, auch auf der Arbeit. In Polen ist auch (meistens) noch katholisch drin, wo katholisch drauf steht, um hier mal Kardinal Meisner zu zitieren. Und es gibt jeden Tag in jeder Kirche mindestens 2 Heilige Messen! Eine früh morgens, eine am späten Nachmittag oder am Abend, manchmal gibt es auch mittags um 12 noch eine. Und wenn man dann in einer Stadt wie Krakau wohnt, wo es ca. 200 Kirchen gibt... Da ist also fast zu jeder Tagesezeit irgendwo eine Heilige Messe. Ich versuche ja, möglichst jeden Tag in die Heilige Messe zu gehen. In Polen ist das bei dem riesigen Angebot einfach viel leichter. Ich kann es dort viel besser in den Alltag integrieren. Was ich auch ganz toll finde: In vielen Kirchen ist jeden Tag Anbetung. Da kann man sich auch in der Mittagspause mal 10 Minuten vor das Allerheiligste begeben und Jesus seine Sorgen und Nöte mitteilen oder einfach nur bei ihm verweilen...

Krakau, Fest des Hl. Stanislaus

Ein letzter Grund, Polen zu mögen: Krakau! Schön, märchenhaft, geheimnisvoll... und so katholisch.
Es ist schon erstaunlich: Jahrelang habe ich mich als Fremde gefühlt. Fremd unter den Normalhörenden, fremd unter den Hörgeschädigten, fremd im Siegerland (wo ich aufgewachsen bin), und fremd im Schwabenland (wo ich jetzt wohne). Und dann stand ich im Oktober 2010 zum ersten Mal in Krakau, in einer wildfremden Stadt, wo ich niemanden kannte, und zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich zu Hause.

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