Ihr habt es vielleicht mitbekommen, vorgestern war in
Dachau eine Gedenkveranstaltung anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung
des Konzentrationslagers am 29. April 1945. Was Bundeskanzlerin Angela Merkel
in ihrer Ansprache leider nicht erwähnte: in Dachau waren auch viele politische Gefangene inhaftiert - und auch sehr viele Geistliche. Offenbar bin ich nicht die einzige, die etwas enttäuscht ist, dass Angela Merkel in ihrer Rede darauf nicht eingegangen ist.
Die meisten der in Dachau inhaftierten Priester waren Polen. Ich habe für meine Dissertation auch Erinnerungen von
überlebenden Priestern gelesen. Es war übrigens so, dass die polnischen Priester noch schlechter
behandelt wurden, als die Priester aus anderen Ländern. Sie durften zum Beispiel nicht
die Kapelle des Lagers nutzen und sie durften auch keine Heilige Messe feiern.
Sie taten es trotzdem, heimlich.
Die polnischen Bischöfe und zahlreiche polnische
Priester haben letzte Woche eine Wallfahrt (ja richtig gelesen: eine Wallfahrt)
nach Dachau gemacht. Eigentlich ist dieser Ort (also das ehemalige
Konzentrationslager) ein unheiliger Ort par excellence. Und doch ist er für
Polens Kirche auch ein heiliger Ort, weil an diesem Ort so viele polnische
Priester ein Martyrium erlitten haben. Stefan Wyszyński sagte immer, dass als das Blut, das
vergossen wurde, zu Rubinen geworden ist.
Am Rande des II. Vatikanischen Konzils nahm Papst Paul VI. Kardinal Wyszynski zu Seite. Er erzählte ihm, dass er noch als Bischof von Mailand ein Vorwort zur italienischen Ausgabe des Buches "Die hellen Strahlen von Dachau" geschrieben habe. Das Buch hatte der Bischof Korszynski geschrieben, der in Dachau inhaftiert war. Wyszynski war einer der Schüler des Bischofs. Jedenfalls sagte Paul VI., dass er tief beeindruck von dem Bischof und von den polnischen Priestern gewesen sei. "Der Bischof muss ein sehr heiliger Mann gewesen sein, wenn er selbst an so einem schlimmen Ort noch helle Strahlen sehen konnte." Über dieses Lob für die polnische Geistlichkeit war Stefan Wyszynski, der immer von typisch polnischen Minderwertigkeitskomplexen (Keiner mag uns!) geplagt war, natürlich hocherfreut. Deswegen posaunter er es gleich hinaus.
Kardinal Marx, der letzte Woche mit den polnischen Priestern eine Messe in Dachau feierte, sagte: "... das Konzentrationslager war kein Ort, den der Teufel gänzlich einnehmen konnte. Selbst von diesem Ort hat Gott sich nicht zurückgezogen. Selbst hier lebte Jesus unter den Menschen." (Ich habe nur die polnische Version und habe das ins Deutsche übersetzt. Es kann also sein, dass der Satz im deutschsprachigen Original etwas anders ist.)
Wer einmal trotz Sprachbarriere einen Blick auf die Internetseiten der polnischen
Bischofskonferenz werfen möchte (hier der Internetauftritt, hier die facebook-Seite), wird feststellen, dass in Polens Kirche die
Erinnerung an die schlimmen Verfolgungen während des zweiten Weltkrieges bis
zum heutigen Tag sehr präsent ist. Westeuropäische Katholiken werden das vielleicht
seltsam finden. Sie werden vielleicht auch denken, dass Polens Kirche sich nur zum Opfer
stilisiere, um sich unangreifbar gegen die Kritik dieser Tage zu machen. Aber
das stimmt nicht. Dieser Teil der Geschichte gehört zur Identität der polnischen Kirche. In Polens Kirche ist immer noch ein großes Bewusstsein
vorhanden für die Tatsache, dass Christentum und Martyrium zusammengehören.
Dass unser Erlöser den Opfertod gestorben ist. Dass das Christentum immer Stein
des Anstoßes sein wird. Und dass die Kirche immer dort blüht, wo sie leidet.
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