Jasna Góra

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Sonntag, 12. Februar 2017

Die Ostpolitik des Vatikans

Kürzlich las ich, dass Papst Paul VI nun auch auch heilig gesprochen werden solle, dass dafür das Verfahren beschleunigt und auf ein Wunder verzichtet werden solle.

Nun könnte man mich natürlich fragen, warum mich diese Randnotiz überhaupt so sehr beschäftigt, dass ich einen Blogeintrag dazu verfasse. Es gibt doch wirklich wichtigere Probleme in der Welt. Nun ja, diese Frage könnte man den Verantwortlichen im Vatikan ebenso stellen. Ihnen scheint eine schnelle Heiligsprechung Pauls VI ja ebenfalls wichtig zu sein, sonst würden sie das Verfahren ja nicht beschleunigen wollen.

 Als Osteuropahistorikerin habe ich im Rahmen meiner Recherchen zur Lage der Kirche in den ostmitteleuropäischen Staaten während des Kommunismus eben auch mit der Ostpolitik des Vatikans beschäftigt. Und da kommt Paul VI leider nicht so gut weg.

Guido Horst hat es im Vatican-Magazin einmal schön dargelegt:
"War Paul VI. ein zutiefst im Glauben verwurzelter Mann, so teilte er in politischen Fragen den Fortschrittsoptimismus, ja die Fortschrittseuphorie seiner Zeit. Das ging bis zu der Annahme, dass eine Annäherung des Vatikans an die Sowjetunion schließlich zu mehr Frieden in der Welt führen würde, weil der Kreml im Grunde eine pragmatische Politik betreibe und zu Gegenleistungen bereit sei."

Der Journalist Jan Ross teilt diese Einschätzung in seiner lesenswerten Biographie Johannes Pauls II.:
"Unter Pius XII, dem Papst des Kalten Krieges und antikommunistischen Kreuzritter, hatte man Wyszynski in Rom gelegentlich des Kompromißlertums verdächtigt. Unter Johannes XXIII und Paul VI paßte sich sich der Heilige Stuhl der weltpolitischen Atmosphäre der sechziger und siebziger Jahre an und ging zur Entspannung über. Nun galt der polnische Primas auf einmal als starrsinniger Hardliner. Das eine wie das andere kümmerte ihn [gemeint ist Wyszynski] wenig." (Jan Roß: Johannes Paul II. Der Jahrhundert-Papst, Reinbek bei Hamburg, 2005, S. 77)

Paul VI bzw. seine außenpolitischen Berater scheinen tatsächlich geglaubt zu haben, sie müssten dem Kreml entgegen kommen, auch um eine Annäherung zwischen römisch-katholischer und orthodoxer Kirche zu erreichen. Den Preis für dieses Entgegenkommen mussten jedoch die Geistlichen und Gläubigen in den ostmitteleuropäischen Ländern zahlen.


„Meisterhaft getarnt in der Methode, kompromisslos in der Sache verfolgte der Papst seine beiden großen Ziele – die Wiedervereinigung von Rom und Orthodoxie und die Vermittlerposition des Vatikans in den Konflikten einer friedensbedürftigen Welt. Beides war ohne das Einverständnis der Sowjetunion nicht erreichbar. Sie allein hatte die Orthodoxie in der Hand und bestimmte den Grad ihres Entgegenkommens. Von ihr allein hing das Gespräch mit den orthodoxen Kirchen der Satellitenstaaten ab. Ihrer Duldung war auch die Lebensfähigkeit aller vatikanischen Bemühungen ausgeliefert, die Beziehungen mit den kommunistischen Staaten römisch-katholischer Bevölkerung neu zu regeln – Polen, Tschechoslowakei und Ungarn. Als Versöhnungsgeste an die Adresse der dortigen Regierungen rief Paul VI. zwei unbeugsame antikommunistische Kardinäle ins Exil – zuerst Beran von Prag, dann Mindszenty von Budapest. Mit dem Kardinal Wyszynski von Warschau focht Monsignore Casaroli jahrelang Kämpfe aus, um ihn auf die vatikanische Ostpolitik festzulegen – was misslang. Keine dieser Maßnahmen geschah ohne einen Seitenblick auf den Kreml.“
(Reinhard Raffalt: Wohin steuert der Vatikan? Papst zwischen Religion und Politik, München 1973, S. 156.)

Pater Werenfried von Straaten, der große Helfer der Kirche in Ostmitteleuropa, kritisierte vor allem die Abberufung Kardinal Mindszentys. Mindszenty sei als "Tauschobjekt der Ostpolitik den Illusionen der Diplomaten geopfert" worden. Für die Kardinäle Beran und Slipyj (Slipyj war Oberhaupt der unierten Kirche) dürfte ähnliches gelten. Man kann auch unter der eigenen Kirche leiden.

Nun habe ich nicht grundsätzlich etwas gegen eine Heiligsprechung Pauls VI. Er war sicherlich ein frommer Mann und eine Heiligsprechung erfolgt ja nicht auf Grund politischer Leistungen, sondern wohl eher auf Grund des persönlichen Lebenswandels. Außerdem hat Papst Benedikt XVI zu recht darauf hingewiesen, dass Heiligkeit nicht bedeutet, dass man im Leben keine Fehler gemacht hat.

Katholisch bedeutet ja allumfassend und es ist gut, dass die allumfassende Kirche auch eine Vielzahl von Heiligen hat, an denen sich die Gläubigen orientieren können. Nicht jeder Gläubige wird mit jedem Heiligen etwas anfangen können und das ist durchaus legitim. Ich zum Beispiel kann mit Jerzy Popieluszko deutlich mehr anfangen, als mit Nikolaus von der Flühe. Dieser Mann, der seine Frau und 10 Kinder verlassen hat, der im Mittelalter als Einsiedler irgendwo im Wald gelebt hat... Alles schön und gut, aber ich lebe nicht als Einsiedlerin irgendwo im Wald, sondern ich lebe in der modernen Welt. Und ich denke, in der modernen Welt braucht es vor allem mutige Christen, die dem Geist der Welt die Stirn bieten. Genau das hat Popieluszko getan. Unser Pfarrer hingegen ist ein großer Fan von Nikolaus von der Flühe. Das ist alles in Ordnung. 

Dennoch frage ich mich, warum bei jetzt auch bei Paul VI das Verfahren beschleunigt werden soll, während die Seligsprechungen von Kardinal Wyszynski, Kardinal Mindszenty, Kardinal Slipyj und Kardinal Beran noch ausstehen. Auch frage ich mich, warum etwa bei Pius XII oder auch bei Resl von Konnersreuth sehr viel Aufhebens um das Für und Wider einer Selig- und Heiligsprechung gemacht wird, während nun bei Paul VI alle Kritikpunkt einfach in den Wind geschlagen werden.
Da entsteht doch irgendwie der Eindruck, dass es hier nicht mehr um Inhalte geht, sondern vielmehr um kirchenpolitischen Interessen. Und das verursacht bei mir doch ein gewisses Unbehagen.