Jasna Góra

Jasna Góra

Sonntag, 29. März 2015

Palmsonntag

Gerne erinnere ich mich an den Palmsonntag in meiner Heimat. Die Palmweihe fand am Dorfbrunnen statt, anschließen zogen wir in einer Prozession zur Kirche. Dabei wurde dieses Lied gesungen:

Singt dem König Freudenpsalmen, kommet alle Völker her!

Fronleichnam in meiner Heimat

Salem, streu ihm deine Palmen, sieh, dein Friedensfürst ist er!
Dieser ist von Davids Samen, Gottes Sohn von Ewigkeit;
der da kommt in Gottes Namen, er sei hoch gebenedeit!
Jesu, König, Gott und Herr, dir sei Glorie, Preis und Ehr!

David sah, im Geist entzücket, den Messias schon von fern,
ihn der alle Welt beglücket, den Gesalbten, unseren Herrn;
Tochter Sion, streu ihm Palmen, breite deine Kleider aus,
sing ihm Lieder, sing ihm Psalmen, heut beglückt er hoch dein Haus!
Jesu, König Gott und Herr, dir sei Glorie, Preis und Ehr!

(Strophe 3 und 4 gibt es hier)

Alle Welt rühmt Gottes Stärke, groß und klein vereinigt sich
in dem Lobpreis deiner Werke, Berg und Täler preisen dich;
Wald und Felder, Fluß und Meere, alles, was das lebt und webt,
jauchzt und kündet deine Ehre, die auf ewig nicht vergeht!
Jesu, König, Gott und Herr, dir sei Glorie, Preis und Ehr!


Die Kirche in meinem Heimat liegt auf einem Berg. Ich fand das immer sehr symbolträchtig, wenn wir vom Tal aus zur Kirche auf dem Berg gezogen sind. Als ob man auf den Berg Zion ziehen würde.

Freitag, 27. März 2015

Donnerstag, 19. März 2015

Hl. Josef



Heiliger Josef, bester Vater, du Marias Schutz und Hort,
sei uns Helfer und Berater, sprich für uns ein bittend Wort.
Nichts kann dir das Kind versagen, das dein Arm so sanft umschließt,
drum wollest Sorge für uns tragen, bis du uns im Himmel siehst.

Ich denke heute besonders an meinen Opa, der auch Joseph hieß. R.I.P.

Auf dem Foto seht ihr meine Lieblings-Josefs-Kapelle.
Sie ist in Krakau, in der Kirche der Herz-Jesu-Schwestern.

Sonntag, 15. März 2015

Fluch oder Segen?

Im Kapitel über den Barock, habe ich versucht zu erklären, warum ich als Schwerhörige von der "barocken" Liturgie so fasziniert bin. Ähnliches gilt übrigens auch für die orthodoxe Liturgie, die ich in der orthodoxen Kathedrale von Warschau schon mal mitfeiern durfte.
Orthodoxe Kathedrale in Warschau

Nun versuche ich zu erklären, wie ich die Schwerhörigkeit trotz aller Mühen und auch Leiden, die sie mit sich bringt, doch auch ein Stück weit als Segen erfahren habe.

Schwerhörigkeit ist schwierig. Man erlebt fast täglich skurille Situationen, zum Beispiel im Schwimmbad, und oft kann man gar nichts dazu. Man wird oft ungerechtfertigterweise gescholten. Man fühlt sich oft ausgeschlossen und einsam. (Der Post über die Einsamkeit hat übrigens eine große Resonanz gefunden, ich weiß nicht genau, warum.)

Warum habe ich die Schwerhörigkeit manchmal dennoch als Segen oder Chance begriffen?
Da kommen verschiedene Aspekte zusammen.

1) Eine Sache ist die, dass man andere Prioritäten setzt, wenn man eine Behinderung hat, oder eine schwere Krankheit, oder... Ich wusste schon früh, dass es nicht so unbedingt wichtig ist, jeden Tag in den neuesten Markenklamotten aufzukreuzen. Oder mit dem neusten Gameboy, dem neusten Handy... Wichtig sind doch eher Familie, Freunde und Gott.

2) Wer sich schon die Mühe macht, sich mit einer Schwerhörigen anzufreunden, meint es (meistens) ernst. Auf meine Freunde konnte ich mich immer verlassen. Es gibt ja den Spruch, dass man erst in der Not merkt, wer die wahren Freunde sind. Schwerhörigkeit ist in diesem Fall dann eine Art "Dauernot". Sicher, auch ich habe hier und da Enttäuschungen erlebt (und auch andere enttäuscht), wer erlebt das nicht... Aber Freundschaften mit Schwerhörigen erfordern doch sehr viel Mühe (auf beiden Seiten), und disese Mühe macht man sich nicht, wenn man nicht wirklich ein Interesse an der Person hat.

3) Als Schwerhöriger ist man oft auf sich selbst zurückgeworfen. Wenn man in einer Gruppe schwätzender Menschen sitzt und doch nichts versteht... Ja, was macht man dann? Den eigenen Gedanken nachhängen. Und wie oft kommt es vor, dass man in einer Gruppe sitzt oder unterwegs ist!
Eine Einsiedlerin hat mal gesagt, dass man nicht vor sich weglaufen kann, wenn man als Einsiedler lebt. Man ist sozusagen ständig mit sich selbst konfrontiert und kann somit die Fehler nicht auf andere schieben. Wer nicht vor sich selbst weglaufen kann, kann auch nicht so leicht vor Gott weglaufen. So gesehen ist Schwerhörigkeit auch eine Einsiedelei. (Der Unterschied ist allerdings, dass der Einsiedler seinen Weg in der Regel aus freiem Willen wählt, während der Schwerhörige keine Wahl hat.)
Sicher, auch die eigenen Gedanken können einen zerstreuen, aber zumindes ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sich so auch mal mit den drängenden Fragen des Lebens auseinandersetzt, deutlich höher. Nicht umsonst gilt in der Bibel die Wüste als Ort der Gottesbegegnung. In der Stille können wir Gott begegnen.

4) Die Zerstreuungsmöglichkeiten, mit denen die Leute sich heutzutag von Gott fernhalten, sind bei Schwerhörigen stark eingeschränkt. Theater? Da verstehe ich nichts. Kino? Da verstehe ich auch nichts. Rock-Konzert? Ist mir zu laut, ich höre eh schon schlecht, da muss ich mir ja nicht noch einen Hörschaden durch zu laute Musik zulegen. Disco? Siehe Rock-Konzert, außerdem kann ich da eh mit niemandem ins Gespräch oder in Kontakt kommen. Fernsehen? OK, inzwischen gibt es öfter mal Untertitel, aber in meiner Kindheit und Jugend gab es die nicht, daher: Siehe Kino. Sich  mit dem Walkman (heute mit dem Smartphone) die Ohren zudröhnen? Geht nicht, die Stöpsel gehen nicht ins Ohr, schließlich sitzt da das Hörgerät. Was bleibt, sind Bücher (und heute das Internet, das für mich tatsächlich ein bisschen zu einer Zersreuungsfalle geworden ist). Sicher, auch Bücher können dem Glauben abträglich sein, je nachdem, was man da so liest, dennoch würde ich dafür plädieren, dass das doch etwas anderes ist, als Fernsehen oder Disco.

An dieser Stelle ist ein kleiner Einschub nötig: Ich bin kein Lustfeind, auch wenn man uns Katholiken das ja gerne unterstellt. Ich habe nichts gegen Entspannung und Zerstreuung. Ich habe auch nichts gegen Genuss. Man darf und soll sich auch erholen, man darf uns soll auch Dinge tun, die einem gut tun. Man darf sich ein Glas Wein gönnen, ein Stück Schokolade etc. "Freu dich recht von Herzen Kind, Gott will, dass wir fröhlich sind." Und natürlich gibt es auch schöne, wertvolle Filme, die uns den Blick für das Gute öffnen.

Ich finde aber auch, dass die oben genannten Zerstreuungsmöglichkeiten eben doch auch dazu beitragen können, dass man vor sich selbst und somit vor Gott wegläuft. (So wie Schokolade oder Wein auch schädlich sein können, nämlich wenn sie im Übermaß genossen werden.) Im Jahre 1966 feierte die katholische Kirche in Polen ihr Tausendjähriges Bestehen. Im Rahmen dieses Jubiläums gab es zahlreiche kirchliche Feierlichkeiten, verbunden mit einen Evagelisationsprogramm. Die kommunistische Partei versuchte, die Leute vom Besuch dieser Feiern abzuhalten. Und wie versuchte sie es? Neben Verkehrsbehinderungen, Betriebsversammlungen mit Anwesenheitspflicht am Sonntag, Stören der Heiligen Messe etc. gab es noch eine besondere Strategie: man bot zeitgleich zur Heiligen Messe kostenloses Open-Air-Kino, Tanzveranstaltungen oder Theateraufführungen an. Jetzt überlegen wir noch uns einmal, womit der heutige moderne Mensch seine Freizeit so zubringt. Nun???? 

Insofern: Es klingt vielleicht zunächst einmal hart, dass Schwerhörige von so vielen Vergnügungsmöglichkeiten ausgeschlossen sind (wobei sich im Bereich Barrierefreiheit inzwischen doch auch einiges getan hat), ich habe das aber inzwischen als Chance begriffen. Und es gibt immer noch viele schöne und sinnvolle Erholungsmöglichkeiten, dich auch ich als Schwerhörige nutzen kann (Spazieren gehen, Stricken, Flöte spielen etc.). 

5) Wenn man behindert ist, lernt man doch recht früh, dass zum Leben auch die Mühsal gehört. Das Christentum ist keine Wellnessreligion, auch wenn man in unseren Breiten bisweilen den Eindruck hat, dass die Christen ihre Religion eben doch in eine Wellnessreligion umwandeln möchten. "Wer mein Jünger sein will, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." Das ist keine Komfortzone,
keine Wellnessoase. Das Christentum ist anspruchsvoll. Wer das leugnet, raubt dem Christentum seinen innersten Kern und damit auch seine Anziehungskraft.
Ich habe früh gelernt, gegen den Strom zu schwimmen, mir ist schon früh ein etwas rauherer Wind entgegengeweht. Das kommt mir heute, wo man als gläubiger Katholik ja auch oft gegen den Strom schwimmen muss, sehr zu gute. Wenn man sowieso oft schon der Außenseiter ist, macht es nichts mehr, wenn man dann auf dem Gebiet auch noch der Außenseiter ist.

Kürzlich habe ich auf facebook mal wieder den Spruch gelesen, dass es für Gott manchmal nur einen Weg gebe, um in das Herz eines Menschen zu gelangen, nämlich es zu brechen.

Objektiv kann ich den Spruch so nicht stehen lassen und als Historikerin finde ich ihn auch sehr makaber. Subjektiv jedoch kann ich nur sagen, für mein bisheriges Leben stimmt's.

In diesem Saal

In diesem Saal bin ich auch schon einmal gewesen.  

Am 1. August 2012 war ich mit Brat Janusz und einer älteren Dame zunächst am Powazki-Friedhof in Warschau, zur Godzina W (Stunde W). Anschließend sind wir zum "Episkopat Polski" gefahren.
Die Bischöfe waren damals natürlich nicht da, aber ich habe mal auf einem der Sitze Probe gesessen :)

Powazki
Ich habe auch versucht, herauszufinden, auf welchen Stuhl der Primas von Polen sitzt, ich hätte ja so gerne mal auf dem Stuhl des Primas von Polen gesessen. Aber Brat Janusz hat mich (absichtlich ?) nicht verstanden.

Brat Janusz ist übrigens Mönch und Pförtner im Priesterseminar von Warschau. Das Priesterseminar liegt direkt neben dem Präsidentenpalast, was einer Bekannten von mir die sarkastische Bemerkung entlockt hat: "Das wäre ja in Berlin undenkbar."

Dienstag, 10. März 2015

Frühling


Gegensprechanlagen

Am Montag habe ich einen Reifen an meinem Auto plattgefahren. Im Parkhaus. Grrr.
Ich traue mir nicht recht zu, den Reifen selbst zu wechseln, weil ich nicht weiß, ob ich die Schrauben fest genug ziehe. So stand ich da, etwas verzweifelt und wusste nicht recht, was ich machen sollte. Fünf Leute sind in der Zeit an mir vorbeigekommen, nur zwei haben gefragt, und beide haben gesagt, ich soll doch einfach den Pannendienst rufen. Ja, klar, wenn ich ADAC-Mitglied bin oder wenn ich reich bin, kann ich den Pannendienst rufen, ich bin aber weder das eine noch das andere. Schließlich kam eine Frau, die mir dann gezeigt hat, wie ich über den Parkscheinautomaten Hilfe rufen kann. Dann kam ein Mann von den Stadtwerken und hat den Reifen gewechechselt. Das war wirklich total toll!

Abgesehen davon, dass ich bisher gar nicht wusste, dass man über den Parkscheinautomaten Hilfe rufen kann, hätte ich dennoch Hilfe bei der Benutzung dieses "Notrufs" gebraucht, weil ich die Stimme aus dem Automaten nicht verstehen konnte. Wo ist da das Lippenbild?

Das sind die klassischen Gegensprechanlagenhäuser.

 An dieser Stelle noch eine Frage: Welcher Mensch hat eigentlich diese schrecklichen Gegensprechanlagen in Mehrfamilienhäusern (oder Hochhäusern) erfunden? Ich kann zwar meistens hören, dass da jemand spricht, kann aber nicht verstehen, was derjenige sagt. Und wenn das Hochhaus an einer vielbefahrenen Straße liegt, höre ich meist noch nicht einmal, dass jemand antwortet und den Türsummer höre ich dann natürlich auch nicht, weswegen ich mich immer sofort leicht gegen die Tür lehne, solange bis die Tür aufspringt. Es ist mir schon passiert, dass mir jemand nicht aufgemacht hat, nur weil ihn ich durch die Gegensprechanlage nicht gehört habe und deshalb auch nichts gesagt habe. In Krakau sollte ich mal im österreichischen Konsulat etwas abgeben. So ein Konsulat ist natürlich immer schön abgeriegelt und umzäunt. Da konnte ich durch die Gegensprechanlage nur sagen: Guten Tag, ich bin schwerhörig, ich kann sie nicht vertehen, würden sie bitte rauskommen? Immerhin konnte ich das ja auf deutsch sagen.


Wohne ich selbst im x-ten Stock eines Hauses und jemand klingelt, benutze ich die Anlage nicht, sondern drücke einfach den Türöffner. So viel Vertrauen zu seinen Mitmenschen muss man einfach haben.

Ich verstehe schon den Sinn von diesen Dingern, wenn ich im 12. Stock eines Wohnhauses wohne, will ich nicht bei jedem Klingeln runterrennen und schauen, wer da steht. Für mich als Hörgeschädigte sind sie dennoch total unpraktisch.

Sonntag, 8. März 2015

Spatz


Ist nicht ganz aktuell, das war am 1. November 2013 in Warschau, aber jetzt wo der Frühling langsam kommt, musste ich irgendwie an diesen zutraulichen Spatz denken, der sich die Kuchenkrümmel vom Tisch stibitzte.

Dienstag, 3. März 2015

Ich rede eben laut, damit man mich versteht

Es gibt Leute, denen ist es peinlich mit mir irgendwohin zu gehen, sei es in ein Café oder in ein Restaurant, weil sie meinen, ich würde zu laut reden. Meine Mutter zum Beispiel sagt ständig: "Pst, nicht so laut." Und wirkt dabei immer ganz peinlich berührt.

Interessanterweise klagen aber die Verkäuferinnen in der Bäckerei immer, dass ich zu leise rede. Und in der Kneipe oder im Café passiert es mir auch sehr oft, dass ich nicht verstanden werde, weil ich zu leise rede.

Tatsache ist, dass ich tatsächlich nicht immer abschätzen kann, ob ich nun zu leise, laut genug oder zu laut rede. Und ich frage mich auch manchmal, ob immer alle Umstehenden (oder Umsitzenden) hören können, was ich sage. Es ist mir aber wurscht, ich tausche in der Öffentlichkeit schließlich keine Staatsgeheimnisse aus.

Ich kann durchaus verstehen, dass Guthörende nicht immer wollen, dass alle mithören können. Für mich ist es aber auch nicht immer schön, wenn sie mir suggerieren, dass ich peinlich bin. Eine Nachhilfeschülerin von mir meinte einst, ich würde so laut reden, dass sie davon Kopfschmerzen bekäme. (Besagte Schülerin hat übrigens nie ihre Hausaufgaben gemacht, nie ihre Vokabeln gelernt, hat in der Nachhilfe ständig gefehlt, weil sie dringend zu irgendwelchen Geburtstagen oder Freundinnen gehen musste. Und sie hatte ihre Mutter sehr gut im Griff.)

Im ersten Moment war ich doch etwas konsterniert, aber wenige Tage später fand ich einen Spruch von Regine Hildebrandt, die ja immer für ihr durchdringendes Organ kritisiert wurde: "Ich rede eben laut, damit die Leute mich verstehen. Und mich versteht man auch im Altenheim." Na also!

Sonntag, 1. März 2015

Noch ist Polen nicht verloren...

Ich hatte ja versprochen, dass ich hier auch noch schreiben möchte, wie ich den Weg zu Gott gefunden habe. Diejenigen, die schon länger mitlesen, warten vielleicht schon darauf. Ich schreibe das auch noch, aber der Artikel braucht etwas mehr Reflexion. Da ich dafür gerade nicht so viel Zeit habe, schreibe ich jetzt erstmal, warum es mir in Polen so gut gefällt.

Zum einen hat das natürlich mit meinen bereits geschilderten Erfahrungen im Sprachunterricht zu tun. Vor der polnischen Sprache sind alle gleich. Außerdem: Ich habe 5 Fremdsprachen gelernt, aber in keinem Kurs habe ich so sehr gelacht, wie im Polnisch-Kurs. Das lag nicht nur an der schwierigen Aussprache, sondern auch an der sehr komplexen Grammatik. O-Ton eines Muttersprachlers: Im Polnischen gibt es keine Regeln, nur Ausnahmen. Herrlich!

Auch sonst ist Polen ein sehr schwerhörigenfreundliches Land. Nehmen wir einmal an, ich stehe irgendwo an der Kasse, im Supermarkt, im Coffee-Shop, in der Bäckerei... Ich verstehe den Preis nicht und die Anzeige an der Kasse ist so gedreht, dass ich sie nicht sehen kann. Ich sage also: "Entschuldigung, ich bin schwerhörig." Natürlich kann man darübe streiten, ob dieser Satz angemessen ist, oder ob ich besser etwas anderes sagen sollte. Worauf ich hinauswill, ist: In Deutschland schauen mich die Kassiererinnen und Kassierer dann immer nur an, und schauen und schauen. Wenn ich Glück habe, kommen sie dann irgendwann mal auf die Idee, den Preis zu wiederholen. In Polen hingegen drehen die Kassiererinnen blitzschnell die Anzeige so hin, dass ich sie lesen kann. Falls das nicht möglich ist, holen sie Zettel und Stift raus, und schreiben auf. Von sich aus! Ohne dass ich sie darum bitten muss! Sie packen Zettel und Stift aus, ohne dabei entnervt zu stöhnen! Das ist so unglaublich!

Diese Hilfsbereitschaft trifft man überall an, bei der Post, bei der Bank, in der Bibliothek. Und was ich einfach toll finde, ist diese Selbstverständlichkeit, mit der die Leute das machen. Als hätten sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht, als mit Hörgeschädigten zu kommunizieren. Und sie vermitteln mir auch nie den Eindruck, als ob ihnen das alles zu viel wäre.

Warschau, Schlossplatz

Auch sonst habe ich das Gefühl, dass die Leute in Polen sensibler sind, viel mehr mitdenken und deswegen leise Andeutungen besser verstehen. Ich bin zum Beispiel einmal vor der Kathedrale auf dem Wawel gestanden. Der Sekretär von Kardinal Dziwisz verteilte Gebetsbildchen musste dann aber gehen und drückte einem Mann den ganzen Stapel in die Hand, mit der Bitte, sie weiter zu verteilen. Ich wollte auch gerne so ein Gebetsbildchen haben, wollte den Mann aber nicht unterbrechen, denn er unterhielt sich sehr angeregt mit einer Gruppe von Leuten. Eine Frau hat mich jedoch bemerkt, nahm dem Mann ein Bildchen aus der Hand und reichte es mir. Solche Situationen erlebe ich in Polen oft und ich finde es unglaublich faszinierend, wie feinfühlig die Leute sind, und wie gut sie eben auch indirekte Kommunikation verstehen.

Warschau, Altstadt
In Deutschland hingegen wird immer erwartet, dass man alles sagt, und dass man es eben in direkter Weise - gerade heraus - sagt. Man kann das gut und richtig finden. Mir selbst ist das oft unangenehm, weil die lautsprachliche Kommunikation für mich trotz aller Bemühungen doch so eine Art rotes Tuch ist. Da finde ich die feinfühlige polnische Art, wo man auch mal indirekt kommunizieren kann, einfach angenehmer. Außerdem bin ich durch meine Schwerhörigkeit daran gewöhnt, mir viele Gedanken zu machen, mitzudenken, Gestik und Mimik zu interpretieren.

Außerdem merke ich immer, dass man sich im Antiplanungsland Polen viel besser auf die göttliche Vorsehung verlassen kann. In Deutschland wird alles geplant und organisiert, und da bleibt dann einfach kein Platz für die göttliche Vorsehung. Nur ein Beispiel: Ich war einmal für 15 Uhr bei einer Ordensschwester eingeladen. Wir hatten nur ausgemacht, dass ich sie besuche. Sonst nichts. Ich hatte an dem Tag viel zu tun, und hatte es nicht geschafft, zu Mittag zu essen. Das ist in meinem Fall nicht ganz unproblematisch, da ich ein bisschen "vom Fleisch falle". Ich dachte mir: "OK, ich bin in Polen, es wird ja immerhin Kuchen geben, und dann esse ich halt heute Abend richtig." Ich kam also zu der Schwester und siehe da: Auf dem Tisch stand ein Mittagessen inklusive Kuchen als Nachtisch! Das wird man in Deutschland so nicht erleben, da deutsche Gastgeber grundsätzlich davon ausgehen, dass der Gast sich schon selbständig um sein Mittagessen gekümmert hat.

Krakau

Es ist in Polen auch viel einfacher, katholisch zu sein. Zwar weht in den Medien ein ebenso rauher Wind, wie anderswo, und natürlich sind auch in Polen bei weitem nicht alle Menschen praktizierende Katholiken. Aber die katholische Welt ist doch sehr viel größer als in Deutschland. Als praktizierender Katholik steht man in Deutschland im alltäglichen Umfeld (Arbeit, Schule, Sportverein etc.) ja doch sehr oft allein auf weiter Flur. Das ist in Polen eben nicht so. Gläubige Katholiken kann man überall treffen, nicht nur in der Kirche, auch in der Uni, auch auf der Arbeit. In Polen ist auch (meistens) noch katholisch drin, wo katholisch drauf steht, um hier mal Kardinal Meisner zu zitieren. Und es gibt jeden Tag in jeder Kirche mindestens 2 Heilige Messen! Eine früh morgens, eine am späten Nachmittag oder am Abend, manchmal gibt es auch mittags um 12 noch eine. Und wenn man dann in einer Stadt wie Krakau wohnt, wo es ca. 200 Kirchen gibt... Da ist also fast zu jeder Tagesezeit irgendwo eine Heilige Messe. Ich versuche ja, möglichst jeden Tag in die Heilige Messe zu gehen. In Polen ist das bei dem riesigen Angebot einfach viel leichter. Ich kann es dort viel besser in den Alltag integrieren. Was ich auch ganz toll finde: In vielen Kirchen ist jeden Tag Anbetung. Da kann man sich auch in der Mittagspause mal 10 Minuten vor das Allerheiligste begeben und Jesus seine Sorgen und Nöte mitteilen oder einfach nur bei ihm verweilen...

Krakau, Fest des Hl. Stanislaus

Ein letzter Grund, Polen zu mögen: Krakau! Schön, märchenhaft, geheimnisvoll... und so katholisch.
Es ist schon erstaunlich: Jahrelang habe ich mich als Fremde gefühlt. Fremd unter den Normalhörenden, fremd unter den Hörgeschädigten, fremd im Siegerland (wo ich aufgewachsen bin), und fremd im Schwabenland (wo ich jetzt wohne). Und dann stand ich im Oktober 2010 zum ersten Mal in Krakau, in einer wildfremden Stadt, wo ich niemanden kannte, und zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich zu Hause.