Jasna Góra

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Donnerstag, 22. Dezember 2016

Theodizee-Frage: Vortrag auf einer Hochzeitsfeier

Heute möchte ich einen Vortrag teilen, den ich auf unserer Hochzeitsfeier gehalten habe. Das mag etwas komisch klingen: ein Vortrag auf einer Hochzeitsfeier. Mein Mann hatte mich gebeten den Gästen doch zu erklären, warum wir in der Kathedrale von Warschau heiraten wollten. Und das habe ich dann versucht, zu erklären.

"Dazu muss ich zunächst kurz erklären, wie ich dazu gekommen bin, mich für Polen zu interessieren. Wir hatten in der Schule, in der 11. Klasse ein halbes Jahr lang polnische Geschichte. Unser Geschichtslehrer hat anhand der polnischen Geschichte die Weltgeschichte abgehandelt. Das hat mir sehr gefallen, weil er auf diese Weise wie von Zauberhand ein verbreitetes Klischee widerlegt hat. Nämlich das Klischee, Polen läge fernab der Hauptstraßen der Geschichte. Was das 20. Jahrhundert betrifft, ist eigentlich sogar umgekehrt, kein Land hat so sehr im Mittelpunkt der weltpolitischen Erschütterungen gestanden, wie Polen. Und er hat gesagt, dass der damalige Papst, Johannes Paul II. einen großen Beitrag zum Fall des Kommunismus beigetragen hat. Das hat mich fasziniert. Als ich dann in Tübingen Geschichte studiert habe, habe ich gemerkt, dass es bei uns ein Institut für osteuropäische Geschichte gibt. Da habe ich ein paar Seminare besucht, dort schreibe ich jetzt auch meine Doktorarbeit über den Ort Tschenstochau und den polnischen Opfertopos.
Das Wort Opfertopos ist ein etwas sperriger Begriff. Es geht dabei um das nationale Selbstbild Polens als Opfer der Geschichte. Der Opferbegriff, der diesem Opfertopos zu Grunde liegt, ist ein sakrifizieller. Das deutsche Wort Opfer wird in anderen Sprachen durch zwei Wörter wiedergegeben: victim, und sacrifice. Victim ist ein juristischer Opferbegriff und bezeichnet eine Person, die einen Schaden erlitten hat. Sacrifice ist eher ein religiöser Opferbegriff und bezeichnet eine Opfergabe. Dabei muss es sich nicht unbedingt um eine konkrete Opfergabe handeln, wie etwa ein Opfertier. Es kann auch eine abstraktere Opfergabe sein, zum Beispiel ein Verzicht oder ein Gebet. Es ein Opfer für etwas. Das Opfer bewirkt etwas Gutes. Beim polnischen Opfertopos geht es um einen Opferbegriff im Sinne von Martyrium. Martyrium ist die willige Annahme von Leid für das Erlösungswerk Christi.
Jetzt kann man sagen, Christus ist doch am Kreuz den Opfertod gestorben, er hat uns alle erlöst, wie kann dann der heutige Mensch an seinem Erlösungswerk mitwirken. Das bezieht sich auf ein Wort des Apostels Paulus im Kolosserbrief (Kol 1,24), wo er sagt: „Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt.“ Pater Josef Kentenich, der im Zweiten Weltkrieg im Konzentrationslager Dachau inhaftiert war, hat gesagt, wir sollen unser Leiden annehmen als Splitter des Kreuzes Christi. Joseph Ratzinger schrieb in seiner Einführung in das Christentum, dass die Welt nicht ohne Opfer existieren kann. Hier in Warschau gibt es eine Militärkathedrale. Dort an der Tür steht geschrieben: Liebe fordert Opfer. Die Welt kann nicht ohne Liebe existieren und die Liebe existiert nicht ohne Opfer. Man hat diese Vorstellung auch mit Hilfe der Weizenkorn-Symbolik ausgedrückt: Das Weizenkorn bring neue Frucht, wenn es stirbt. Damit ist grob umrissen, worum es beim polnischen Opfertopos geht. Es geht um die Annahme des Leids, das das 20. Jahrhundert den Menschen in Polen abverlangt hat. Es geht um die Annahme diese Leidens als Mitgehen auf dem Kreuzweg Christi.
Der polnische Opfertopos deutet die polnische Geschichte als Martyrium. Die Erschütterungen des 20. Jahrhunderts werden als Mitgehen auf dem Kreuzweg Christi gesehen, als Beitrag zum Erlösungswerk Christi.
Im Grunde genommen bietet der polnische Opfertopos eine Antwort auf die Theodizee-Frage. Theodizee bedeutet Gerechtigkeit Gottes. Die Theodizee-Frage ist die Frage, warum das Leid, das Böse in der Welt existiert, obwohl Gott allmächtig und allgütig ist. Das ist auch die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes. Im Grunde genommen ist die Theodizee-Frage eine Frage, die sich in besonderer Weise uns Christen stellt, weil wir an einen allmächtigen und allgütigen Gott glauben. Im Hinduismus beispielsweise gibt es gute Götter und böse Götter, und für das Leid in der Welt sind die bösen Götter verantwortlich. Im Christentum können wir so einfache, klare Antworten nicht geben. Man könnte zwar sagen, dass der Teufel für das Böse verantwortlich ist, aber dann bleibt immer noch die Frage, warum Gott, der alles geschaffen hat, zugelassen hat, dass es den Teufel gibt. Die Existenz des Leidens in der Welt stellt die Güte und die Allmacht Gottes in Frage. Entweder Gott will das Leiden nicht von uns abwenden, dann ist er nicht allgütig, oder er kann es nicht abwenden, dann ist er nicht allmächtig.
Diese Frage hat mich in den letzten Jahren sehr beschäftig, weil ich erstens eine Doktorarbeit über den polnischen Opfertopos schreibe. Zweitens haben wir in den letzten Jahren gesehen, dass Christen zunehmend verfolgt werden, etwa im Irak und in Syrien. Und drittens hat die Theodizee-Frage meine ganz persönliche Lebenssituation getroffen. Ich habe fast 10 Jahre lang einen Mann gesucht, einmal habe ich geglaubt, einen gefunden zu haben. Dann bin ich zu dieser Internet-Plattform gegangen, wo ich letztes Jahr Lukas kennen gelernt habe. Ich war sechs Jahre lang bei dieser Plattform, habe ziemlich viele Männer getroffen, aber irgendwie hat es nie gepasst. Das war sehr frustrierend. Man investiert viel Zeit in das Kennenlernen, schreibt Mails, chattet… Und dann war die Mühe immer umsonst. Die Einsamkeit fand ich zeitweise sehr belastend. Hinzu kommt eine Hörschädigung, die eine ganz andere Dimension von Einsamkeit erzeugt. Mündliche Kommunikation ist das wichtigste Bindeglied zwischen Menschen. Wenn diese Kommunikation dauerhaft behindert ist, wenn man dauerhaft nicht alles verstehen kann, dann hat das sehr wohl Auswirkungen auf die Psyche und auf die Persönlichkeit. Das sind keine Hirngespinste von mir, weil ich so gerne jammere, da braucht man nur mal einen Psychologen fragen, der mit Hörgeschädigten arbeitet. Ich habe auch keine Geschwister. Neulich hat eine Frau mich gefragt, ob ich Geschwister habe, ich verneinte, und sie sagte: Dann weißt du, was allein sein bedeutet. Vor fünf Jahren hatte ich so eine Art Herzstillstand. Den habe ich überlebt, fand ich toll. Aber ich muss seitdem mit einem Defibrillator rumlaufen, das finde ich nicht immer so toll. Hinzu kommt, dass es in der heutigen Zeit gar nicht so leicht ist, als junger Mensch den katholischen Glauben zu leben. Es gibt nicht viele junge Leute, mit denen man den Glauben teilen kann. Und man wird auch oft verlacht. Glaube heißt, dass ich an die Existenz Gottes glaube, sondern das heißt, dass ich eine Beziehung zu Gott habe. Gott ist ein Gegenüber, ein Du. Eine Beziehung will auch gepflegt werden, das wie bei einer Freundschaft. Das heißt, der Glaube hat auch konkrete Auswirkungen auf mein Leben, meinen Alltag. Das stößt eben nicht immer auf Verständnis. Auch andere Themen, etwa die Sexualmoral stößt auch nicht immer auf Verständnis. Das hat für mich doch auch die Gerechtigkeit Gottes in Frage gestellt. Dann hatte ich einen Beichtvater, der mir immer gesagt hat, ich soll alleine bleiben. Das konnte ich für mich nicht annehmen, aber ich wusste eben auch nicht genau, was der Wille Gottes ist.
Nach Jahren des inneren Ringens habe ich mich entschieden, den Beichtvater zu wechseln. Und das erste, was mein neuer Beichtvater gesagt, was: Gott verheißt uns ein Leben in Fülle. Deswegen ist das auch der Trauspruch.
Ich habe in all den Jahren viele Antworten auf die Theodizee-Frage gehört, aber nur wenige davon waren hieb- und stichfest. Eine beliebte Antwort lautet: Du musst dein Leiden annehmen. Diese Antwort hat zwei Schwachpunkte. Erstens wird sie sehr schnell zynisch. Stellen wir uns mal vor, da wir jemand gefoltert, und dann kommt ein Christ uns sagt zu ihm: Du musst dein Leiden annehmen. Das ist zynisch. Natürlich ist es so, dass man die leidvolle Situation zuerst einmal annehmen muss, weil man keine andere Wahl hat. Aber es wird sehr schnell zynisch, wenn dann ein anderer kommt, unser Leid nicht leidet, aber sagt, wir sollen unser Leiden annehmen. Der zweite Schwachpunkt dieser Antwort ist, dass sie eine große Passivität hervorruft. Es klingt im Grunde genommen so, als wäre das Leid Gottes Wille, als sollte man das Leiden annehmen und sonst nicht tun. Das stimmt eben auch nicht. Natürlich ist es so, dass man die leidvolle Situation zuerst einmal annehmen muss, weil man keine andere Wahl hat. Aber deswegen dürfen wir trotzdem versuchen, die leidvolle Situation zu ändern und wir dürfen auch Gott darum bitten. Eine andere Antwort lautet, dass man für sein Leiden danken soll. Es ist oft natürlich so, dass man im Nachhinein mit Dankbarkeit auf die schweren Lebensphasen zurückblickt. Man kann aber eben oft erst im Nachhinein erkennen, dass auch diese schwierigen Zeiten ihren Sinn. Das heißt, die Dankbarkeit kann man auch erst im Nachhinein entwickeln. Auch diese Antwort wir sehr schnell zynisch. Wenn wir noch mal zu dem Mensch zurückgehen, der gefoltert wird. Es ist zynisch, ihm zu sagen, du musst für dein Leiden dankbar sein.
Ich habe eigentlich nur eine Antwort gehört, die für mich stimmig war: Die Antwort auf die Theodizee-Frage kann jeder Mensch nur selbst erringen, in einem Ringen mit Gott. Dieses Ringen ist manchmal ein Ringen auf Leben und Tod. Wenn man die Antwort gefunden hat, muss sie vor jeder Verallgemeinerung bewahrt bleiben.

Was hat das ganze jetzt mit Stefan Wyszyński zu tun? Ich habe ihn all die Jahre immer wieder um Rat gefragt. Habe seine Texte gelesen, habe auch ganz persönlich mit ihm gesprochen, so wie ich auch mit Gott spreche. Und ich habe da viele Antworten bekommen. Er war und ist mein Mentor. Stefan Wyszyński spricht immer davon, dass der Glaube anspruchsvoll ist, dass Gott auch einen Anspruch hat, dass Gott das Recht hat, uns zu prüfen. Gott ist nicht „der Lückenbüßer, der uns das Leben bequem macht, sondern er ist ein Gott, der mit einem Anspruch an uns heran tritt.“ Zugleich war Stefan Wyszyński zutiefst optimistisch. „Es ist nicht meine Gewohnheit zu sagen, daß es schlecht stehe und daß es noch schlechter werde, auch wenn man bisweilen so etwas hört. Ich bin der Meinung, daß es so gut ist und noch besser sein wird, wenn nicht jetzt, so sicher im zukünftigen Leben. Ganz gewiß wird es dereinst so sein. Wenn ich sage, daß es gut ist, dann nicht deshalb, um Worte zu machen, sondern um meinem lebendigen Glauben an die Kraft und die Macht Gottes Ausdruck zu geben, der in der Welt wirksam ist und sein Recht selber verteidigt. Manchmal läßt er schwierige Situationen zu und gestattet es den Herrschern der Finsternis, zu Wort zu kommen, damit Gottes Macht noch deutlicher werde. Wyszyński hat betont, dass Gott immer gerecht ist, dass diese Gerechtigkeit irgendwann auch wieder zum Vorschein kommen wird, dass am Ende das Gute siegen wird.

„Niemandem bleiben die Stunden des Dunkels erspart, der Herr schickt sie, damit unsere Sehnsucht wächst, damit wir Geduld erlernen, damit wir die Beharrlichkeit finden, die ihn nicht loslässt: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. Ich glaube, wir müssen diese Geduld des Wartens, des Aushaltens, das demütige und beharrliche Klopfen an die Tür des schweigenden Gottes ganz erlernen; die Bibel ist voll davon. Erst so werden wir geformt, erst dieser Weg wird wahre Wanderschaft, Aufstieg zu den Höhen des Ewigen.“ (Joseph Ratzinger)

Gott hält die Welt in Händen, auch dann, wenn es so scheint, als schweige er. Das ist der Tenor eines Films, den wir jetzt sehen werden. Für das bessere Verständnis des Films muss ich einige historische Fakten nennen: Die katholische Kirche Polens hat im Zweiten Weltkrieg ein Martyrium erlitten, ca. ein Drittel des polnischen Klerus wurde ermordet. Dieses Martyrium war ein Grund, warum die katholische Kirche in der polnischen Bevölkerung ein hohes Ansehen genoss. Nach dem Krieg wurde Polen kommunistisch. Nachdem es zunächst relativ ruhig verlief, wurden Anfang der 1950er Jahre, als Polen die Hochphase des Stalinismus erlebte, wurden wieder sehr viele Geistliche verhaftet. Auch der Primas der katholischen Kirche, Stefan Wyszyński. Dieser hat in der Haft ein Programm der spirituellen Erneuerung Polens entworfen. Im Jahre 1956 kamen fast eine Millionen Menschen in Tschenstochau zusammen und haben sich der Muttergottes geweiht. Sie haben ein Gelübde abgelegt. Zwei Monate später wurde Stefan Wyszyński wieder freigelassen und diese Phase des Stalinismus war beendet. Damit begann eine Entwicklung, die tatsächlich zur Solidarność-Bewegung der 1980er Jahre und somit zum Ende des Kommunismus geführt hat. Zur Freilassung Wyszyńskis muss ich noch eines sagen: er war der einzige, der osteuropäischen Metropoliten, der auf seinen Bischofssitz zurückkehren konnte. Der Primas von Tschechien, Josef Beran, war lange inhaftiert und durfte nach seiner Freilassung nicht auf seinen Bischofssitz zurückkehren. Das gleiche gilt für den Primas von Ungarn, Josef Mindszenty. Er war lange inhaftiert, wurde schlimm gefoltert, und durfte nach seiner Freilassung nicht auf seinen Bischofssitz zurückkehren. Josef Slipij, der Metropolit der unierten Kirche, war lange im Gulag."

Nach diesem Abschluss haben wir einen Ausschnitt aus einem Film gezeigt:



Hier in voller Länge: 

Wir hatten noch englische Untertitel dazu, aber dennoch haben wohl nicht alle Gäste alles verstehen können, aber es ist ein schöner Film.

Samstag, 3. Dezember 2016

Freude

Bloggerkollege KingBear schrieb kürzlich, dass die Freude dem christlichen Glauben imanent ist, und verwies auf den Brief des Apostels Paulus an die Philipper: Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!" (Philipper 4,4). Da der Advent eine Zeit der Vorbereitung aber auch eine Zeit der Vorfreude ist, versuche ich, ein paar Gedanken über die christliche Freue wiederzugeben.

In dem Gesprächsband "Salz der Erde" fragt Peter Seewald: "Die Wahrheit über Mensch und Gott scheint oft traurig und schwer. Ist der Glaube denn von Haus aus nur für die stärkeren Naturen zu ertragen? Er wird ja auch häufig als Zumutung empfunden. Wie also soll Freude am Glauben aufkommen?" Joseph Ratzinger antwortet: "Ich würde es umgekehrt sagen: Der Glaube gibt die Freude."

Der Glaube gibt also die Freude. Ich selbst habe nach meiner "zweiten Bekehrung" die ersten Glaubensschritte bei den charismatischen Gemeinschaften in der katholischen Kirche gemacht. Wer schon einmal auf einem charismatischen Gebetstag oder bei Exerzitien war, weiß, welch gute, mitreißende Stimmung dort herrscht. Ich habe generell den Eindruck, dass die Charismatiker sehr großen Wert auf die Freude am Herrn legen. Schwester Margaritha Valappila etwa sagt ungefähr nach jedem zweiten Satz "Halleluja" und rät uns Laien, das auch zu tun.

Mich hat diese ganze überbordende Freude der Charismatiker doch sehr unter Druck gesetzt. Ich dachte, ich bin ein schlechter Christ, weil ich mich nicht vorbehaltlos freuen kann. In mein Gebet mischte sich neben Dankbarkeit auch immer wieder die Klage, vor allem die Klage über meine Einsamkeit und darüber, dass ich oft nicht wusste, wie mein Leben weitergeht. Hinzu kommt, dass ich mich in meiner Doktorarbeit mit der Theodizee-Frage beschäftigte. Ich habe Lebenszeugnisse gelesen von Menschen, die während des zweiten Weltkrieges in Konzentrationslagern oder im sowjetischen Gulag waren. Und auch unserer Tage müssen wir Leid und Christenverfolgung mit ansehen. All dies beschäftigt mich und führte dazu, dass ich mich nicht uneingeschränkt und so begeistert freuen konnte. Dabei fühlte ich mich immer schlecht, weil ich dachte, ein guter Christ muss sich doch freuen. Ich dachte, Traurigkeit sei eine Sünde.

Ist also nur der freudige Christ ein guter Christ? Ist Traurigkeit eine Sünde? Weihbischof Marian Eleganti meint: "Jein! Es kann eine Trauer sein, die aus der Hoffnungslosigkeit kommt, aus dem Unglauben, aus dem Mangel an Kindlichkeit am Glauben an die Liebe Gottes. Das kann schon sehr unvollkommen sein, aber ich sehe den Herrn nicht immer fröhlich".

Ähnlich äußerte sich mein Beichtvater, als er sagte, dass auch bei Jesus selbst die ganze Spannweite zwischen der Klage ("Mein Gott, warum hast du mich verlassen") und der Annahme von Gottes Willen ("Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist") vorhanden ist. Auch das Hadern mit Gott ist nicht zwangsläufig ein Unglaube, denn man hält ja weiterhin daran fest, dass es Gott gibt, und dass er gütig und allmächtig ist. Man darf sein Leid, und auch das Leid der Welt, vor Gottes Angesicht tragen.

Joseph Ratzinger sagt im bereits erwähnten Abschnitt aus "Salz der Erde": Insofern lässt sich sagen, das Grundelement des Christentums ist Freude. Freude nicht im Sinne einer billigen Gaudi, die auf dem Hintergrund der Verzweiflung stehen kann. Wir wissen doch, dass Klamauk häufig die Maske für Verzweiflung ist. Sondern es ist die eigentliche Freude. Eine, die mit einem schweren Dasein zusammen besteht und dieses Dasein dann auch lebbar macht."

Die eigentliche Freude ist also eine Freude, die das Dunkel dieser Welt nicht ausblendet, sondern integriert. Sie leugnet das Dunkel nicht und sie bagatellisiert es nicht.

Aber was genau ist nun eigentlich die christliche Hoffnung? Was ist der Grund für die christliche Freude? Meine Antwort ist vermutlich sehr unvollkommen, aber bei der Beschäftigung mit meinem Dissertationsthema kam mir vor allem eine Antowort: In der Heiligen Nacht und vor allem am Karfreitag ist Gott selbst in die tiefsten Abgründe dieser Welt hineingegangen und hat so das Leid und die Sünde von innen her aufgebrochen.

Den Gesamtkalender findet ihr hier.

Ich habe mich geirrt, der folgende Beitrag findet sich auf: http://echoromeo.blogspot.de/.

Dienstag, 15. November 2016

Ehe - Teil 3

Im letzten Teil war ich bei meinem ersten Polenaufenthalt stehen geblieben. Der war im Herbst 2010. Mein Professor hatte mir vorgeschlagen, mal en Praktikum im Polen zu machen, um meine Polnisch-Kenntnisse zu verbessern. Da ich plante, eine Dissertation zum polnischen Opfertopos zu schreiben, fand ich die Idee gut. Und suchte mir einen Praktikumsplatz. Es begann eine Zeit, wie im Rausch. Ich hatte damals keine konkreten Vorstellungen von Polen. Über mehrere Ecken (ein Mann aus dem Gebetskreis kannte einen Jesuiten, der einen Jesuiten in Krakau kannte, und der wiederum...) fand ich Unterkunft bei einer jungen, alleinstehenden, gläubigen Frau in Krakau. Sie wohnte in einer Einzimmerwohung (!) und ihre Cousine wohnte unter der Woche auch noch dort. Ich fand es toll, dass sie mich als Fremde bei sich aufnahm. Ich musste noch nichtmal Miete zahlen. Sie sagte, ich solle für sie beten.

Ich habe in dieser Stadt, die als zweites Rom gilt, Heimat gefunden, geistig und geistlich. Seit 2010 bin ich viele Male dorthin zurückkehrt, habe am Grab von Kardinal Wyszynski gebetet, vor dem verwundeten Antlitz der Muttergottes von Tschenstochau, am Grab Jerzy Popieluszkos. Die Arbeit an meiner Dissertation war sehr interessant. Zwar habe ich immer unter der Einsamkeit gelitten, dennoch kann ich sagen, dass es gute und erfüllte Jahre wahren. Ich habe viel gelernt und den katholischen Glauben ganz neu kennengelernt.

Anfang 2010 stieß ich auch auf das Internetportal KathTreff. Nachdem ich eine Weile hin und her überlegt hatte, meldete ich mich schließlich an. Es folgte sehr frustrierende Erfahrungen. Ich habe zwar viele Mails bekommen, ich habe mich auch mit einigen Männern getroffen, aber aus meiner Sicht war nie "der Richtige" dabei. Dabei war mir durchaus klar, dass kein Mensch perfekt ist. Auch wenn es mir teilweise vorgeworfen wurde, ich habe nicht den perfekten Mann gesucht, sondern denjenigen, der zu mir passt. Das ist ein Unterschied.

Es ist sehr frustrierend, wenn man Zeit (viel Zeit) und Geld investiert, zu Treffen fährt, auch Hoffnungen hegt, und dann feststellt, dass es irgendwie nicht passt. Ich fragte mich, ob ich zu hohe Ansprüche an einen Mann habe, ich fragte micht, ob Gott gar nicht möchte, dass ich heirate. Ich fragte mich, ob ich nicht genug Zeit in die Partnersuche investiere. (Ich habe beispielsweise nur sehr selten gechattet, weil diese Gespräche im Chat oft sehr lange gedauert haben, und ich aber auch abends immer noch ein bisschen arbeite, als Studentin hat man immer Arbeit.)

Außerdem hat mein Beichtvater, der auch meine geistliche Begleitung war, immer gesagt, dass ich alleine bleiben solle. Zunächst einmal dachte ich, dass das dann wohl der Wille Gottes ist, dass ich alleine bleiben soll. Das Problem war, dass ich diese Vorstellung nicht annehmen konnte. Ich habe es zwar versucht, aber innerlich hat sich alles dagegen gesträubt. Das ging mehrere Jahre so. Bis mir eines Tages der Gedanke kam, dass die Meinung meines Beichtvaters nicht zwangsläufig mit der Meinung Gottes übereinstimmen muss. Dieser Gedanke wurde immer lauter. Bis ich eines Tages beschloss, den Beichtvater zu wechseln. In der ersten Beicht beim neuen Beichtvater ist eine riesige Last von mir abgefallen. Auf seinen Rat hin habe ich mich dann nocheinmal bei KathTreff angemeldet und es hat zwar noch etwas gedauert, aber dann hat es geklappt.

Offenbar gibt es vor allem von - sagen wir - weltlicher Seite Kritik an KathTreff. Da ist von arrangierten Ehen die Rede. Nicht wenige Ehepaare lernen sich heute im Internet über Partnerbörsen kennen. Bei Parship etc. käme niemand auf die Idee von arrangierten Ehen zu reden, wenn aber Katholiken so etwas anbieten, redet man von arrangierten Ehen.

Ich jedenfalls bin - alles in allem - froh, dass es KathTreff gibt. Einen gläubigen Partner findet man heutzutage ja nicht einfach vor der Haustür. Nun kann man fragen (und viele Leute haben das auch gefragt): "Warum muss denn dein Ehemann unbedingt gläubig sein? Es gibt doch auch nette nichtgläubige Männer." Ja, die gibt es sicherlich, aber Nettsein allein reicht nicht für die Liebe. Und es reicht auch nicht für eine Ehe. Eine Frau hat mich sogar mal gefragt: "Ja, aber wenn du dich verliebst in einen evangelischen oder atheistischen Mann, dann würdest du den doch auch heiraten, oder nicht?" Und ich konnte nur sagen: "Das wird nicht passieren, dass ich mich in einen Mann verliebe, der kein gläubiger Katholik ist."

Man mag das jetzt komisch oder intolerant finden, aber wenn man schon 30 Jahre alt ist, hat man sich schon viele Gedanken gemacht über die Ehe. Da ist Liebe nicht nur ein Gefühl, dass einen sozusagen übermannt, sondern auch eine bewusste Entscheidung. Da weiß man auch, dass zu einer Ehe nicht nur das Verliebtsein gehört, sondern dass das Fundament stimmen muss. Und dieses Fundament ist Gott, ist der Glaube. Gott ist der Mittelpunkt meines Lebens. Und von diesem Mittelpunkt hängt alles ab. Meine Lebensgestaltung, meine Einstellung in verschiedenen ethischen oder gar politischen Fragen. Sogar mein Eheverständnis hängt vom Glauben ab. Wie soll ich eine Ehe führen mit jemandem, der unter Ehe etwas völlig anderes vertseht als ich?

Übrigens: Die Eltern von Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI haben sich über eine Heiratsanzeige kennengelernt :)

Was mir all die Jahre gefehlt hat, war ein bisschen Rückenstärkung durch "meine" Kirche. Das muss ich wohl näher erklären: Es ist in der heutigen Zeit für junge Menschen nicht leicht, den katholischen Glauben zu leben. Man steht im alltäglichen Umfeld oft allein da. Auch ist es nicht leicht, beispielsweise die Keuschheit vor der Ehe zu leben. In alltäglichen Umfeld und sogar von ärztlicher Seite wird den Jugendlichen etwas anderes eingeredet. Umso mehr sollten katholische Geistliche sich eigentlich freuen, wenn sie auf junge Leute treffen, die sich wirklich bemühen, die Keuschheit zu leben. Sie sollten sich freuen und diese Jugendlichen unterstützen. Doch leider fehlt diese Unterstützung und Wertschätzung oft. Wie oft habe ich erlebt, dass ein Leben der Enthaltsamkeit sogar von katholischen Priestern in Frage gestellt wurde. Das Sakrament der Ehe wird heutzutag im Grunde genommen jedem hinterhergeworfen, der daher gelaufen kommt. Da wird nicht mehr gefragt, ob die Leute sich auch bemühen, ein gottesfürchtiges Leben zu führen, auch in Sachen Sexualität. Und wie selten hört man in einer Predigt mal ein paar Worte zu diesem doch sehr wichtigen Thema.

Umso dankbarer war ich, wenn ich etwa beim Forum der Gemeinschaft Emmanuel Priester treffen konnte, die für die "katholische Sexualmoral" einstanden und die jungen Leuten auf wirklich packende Weise vermitteln konnten, warum beispielsweise die Keuschheit vor der Ehe wichtig und richtig ist.





Mittwoch, 26. Oktober 2016

Kleiner Link in eigener Sache

Ich finde den Begriff "Erfolgsstory" im Zusammenhang mit Partnersuche zwar etwas problematisch (denn es klingt so, als sein alle Menschen, die keinen Ehepartner finden, Verlierer), trotzdem hier der Link zu unserem Zeugnis:

https://www.kathtreff.org/index.php?id=18&details=vGuVSyOs

Die Namen wurden von der Redaktion geändert, also ich heiße nicht Anna ;-)

Freitag, 26. August 2016

Ehe - Teil 2

Im Jahre 2006 ließen meine Eltern sich scheiden. Nun war ich da schon 21 Jahre alt und sehr viele Menschen, allen voran die Schwester meiner Mutter, wiederholten matraartig, dass ich doch schon groß sei und selbständig und dass das für mich doch alles nicht so schlimm sei.

Doch! Das war es.
Erstens habe ich keine Geschwister und seit 2006 habe ich keine Familie mehr. Ich habe noch einen Vater und eine Mutter, aber eben keine Familie. Kann man den Unterschied verstehen. Der zweite Punkt ist, dass "große" Kinder anders unter einer Scheidung leiden. Das hat mir später auch mal eine Psychotherapeutin erzählt. Große Kinder denken dann oft, dass all die Jahre nur ein Betrug waren, also dass die Eltern die Ehe jahrelang nur vorgegaukelt haben.

Ich wurde schon öfter gefragt, ob wegen der Scheidung meiner Eltern Angst habe, mich zu binden. Nein, Bindungsängste habe ich keine. Im Gegenteil, meine Sehnsucht nach einer Ehe wurde durch die Scheidung meiner Eltern noch größer. Wohl aber merke ich hier und da, dass ich Angst habe, dass meine Ehe auch scheitern könnte.

Eigentlich hatte ich mir immer vorgestellt, dass ich dann irgendwann einmal einen Mann kennenlerne und mich verliebe und das dann der Mann für's Leben ist.

Es kam aber nicht so.

2007 lernte ich in meiner Pfarrei einen Mann kennen. Er sprach mich nach der Messe einfach an. Wir unterhielten uns lange. Er sagte, dass er zu einem Gebetskreis gehe und fragte mich, ob ich auch kommen wolle. Ich sagte zu. (Dieser Gebetskreis besteht übrigens heute immer noch und ich habe dort Freundinnen für's Leben gefunden.) Im Laufe der Zeit verbrachten der junge Mann und ich immer mehr Zeit zusammen, wir unterhielten uns und stellten fest, dass wir in vielen Dingen gleich dachten. Es schien irgendwie alles gut zu passen, ich hätte mir nie träumen lassen, dass es junge Männer gibt die so denken, wie ich. Und ich dachte eben, mit diesem Mann möchte ich meine Leben verbringen. Doch von seiner Seite aus blieb alles in der Schwebe. Er macht hier und da so Andeutungen, aber es blieb alles in der Schwebe. Irgendwann wollte ich Klarheit und suchte das Gespräch. In dem Gespräch blickte ich in Abgründe, in menschliche Abgründe. Ich kann das hier nicht alles aufzählen. Das End vom Lied war, dass er meinte, er empfinde nichts für mich und heiraten wolle er schon gar nicht. (Der gute Mann tauchte übrigens wenige Wochen später mit einer neuen Frau auf, was dann auch nicht hielt. Und etwa 1 Jahr später wurde er Vater eines unehlichen Kindes.)

Somit waren für mich erst einmal sämtliche Zukunftsperspektiven im privaten Bereich geplatzt. Heute bin ich dankbar dafür, aber damals habe ich eine Weile gebraucht, bis ich es akzeptieren konnte. Ich habe dann meinen Magister gemacht.
Schon 2007 hatte ich angefangen, Polnisch zu lernen. Meine Magisterarbeit befasste sich mit dem polnischen Messianismus. Auf Anraten eines Professors, beschloss ich nach Abgabe der Arbeit spontan, ein Praktikum in Polen zu machen. Diese Aktion stand finanziell gesehen auf sehr wackeligen Beinen, aber es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens.

Fortsetzung folgt.

Donnerstag, 18. August 2016

Heilige Anna

Heute darf ich ein schönes Video von einer meiner Lieblingskirchen teilen.
Natürlich Barock :)


Donnerstag, 28. Juli 2016

Mittwoch, 27. Juli 2016

Ehe - Teil 1

Manch einer wird sich vielleicht gewundert haben, warum die Beiträge auf diesem Blog in den letzten Monaten spärlich geworden sind. Das hatte einen guten Grund.

Ich habe eine Weile gezögert, ob ich darüber schreiben soll, habe nun beschlossen, es zu tun. Denn es ist auch die Geschichte eines persönlichen Glaubenswegs. Außerdem passt die Geschichte auch gut in die Diskussionen dieser Tage - Amoris laetitia und so.

Schon als kleines Mädchen hatte ich den Wunsch, zu heiraten und Kinder zu haben. Gerne auch mehrere, denn ich bin Einzelkind und habe immer etwas darunter gelitten, keine Geschwister zu haben.

Nun leben wir in einer ziemlich übersexualisierten Welt, in der Sex häufig nichts mehr mit Liebe, Hingabe und Leben zu tun hat, sondern zu Ware verkommen ist. Man gilt heute als unnormal, wenn man mit 14 noch keinen Sex hatte. Das war in den 1990ern auch schon so. Man wurde zum Gespött der Klasse, wenn man mit 14 noch Jungfrau war. Es gibt also einen starken gesellschaftlichen Druck in dieser Hinsicht.

Wie ich dem Druck standhielt, weiß allein Gott. Einerseits machte ich mir noch nicht so viel aus Jungs. Hobbies, meine Freundinnen und Lernen für die Schule waren mir wichtiger. Ich hatte Freundinnen, die in dieser Hinsicht genaus dachten, wie ich. Spott und Außenseiterdasein war ich auf Grund meiner Behinderung ohnehin schon gewohnt, da kommt es auf etwas mehr oder weniger auch nicht drauf an. Und irgendwo tief immer Inneren wusste ich, dass Keuschheit sehr wichtig ist, und dass Sex in die Ehe gehört. Natürlich hatte auch ich eine Phase, wo ich Gott und der Kirche kritisch gegenüberstand, aber irgendwo im Inneren war mir einfach klar: Das stimmt so, wie die katholische Kirche es lehrt.

In den Anfangsjahren des Studiums litt ich auch nicht sonderlich unter dem Alleinsein. Neue Stadt, neue Leute, interessante Forschungsgebiete, Auslandssemester. Währende meinem Auslandssemester in Frankreich begann ich, täglich die heilige Messe zu besuchen, ich lernte Jugend 2000 und die Gemeinschaft Emmanuel kennen. Es waren spannende Jahre. Aber der Wunsch nach einer Partnerschaft und Ehe war unterschwellig immer da.

Nun war die Sache die, dass mir persönlich der Glaube so wichtig ist, dass ich mir nicht vorstellen konnte, einen Mann zu heiraten, der mit dem Glauben nichts anfangen kann. Der Glaube bestimmt alles, meine Einstellungen, meinen Tagesablauf, mein Wochenende (ja, nix Sektfrühstück sonntags um 11). Gerade in der heutigen Zeit ist es gar nicht leicht, einen Partner zu finden, der da auf derselben Wellenlänge liegt. (Zumal ich aus Sicht der meisten Christen wohl eher zu den sogenannten "Dunkelkatholiken" gehöre. Wer nicht weiß was Dunkelkatholiken sind: hier und hier) Ich wollte auf dem Gebiet aber keine Kompromisse machen. Ich wollte einen Mann, für den Gott genauso wichtig ist, wie für mich. Für den die Sakramente genauso wichtig sind, wie für mich.

Fortsetzung folgt...

Freitag, 15. Juli 2016

"Kann man aus der Geschichte lernen?"

Diese Frage wurde mir kürzlich in einem Gespräch gestellt, nachdem man mich gefragt hatte, was ich beruflich mache und ich erwiederte, dass ich Historikerin sei.
Und da man dieser Tage, nach dem Brexit-Referendum des öfteren liest, die Menschen hätten nichts aus der Geschichte gelernt (z.B. hier), dachte ich, dass sei ein interessantes Thema für einen Blogeintrag.

Kann man also aus der Geschichte lernen?
Ehrlich gesagt, ich habe immer ein bisschen Bauchgrimmen, wenn Leute sich daran machen, die Geschichte als pädagogisches Instrument zu gebrauchen.

Es ist sicher so, dass die Geschichte uns tiefe Einblicke eröffnet in die Funktionsweise von Gesellschaften, in die Funktionsweise von Politik und Wirtschaft. Sie eröffnet uns Einblicke in die menschliche Psyche, sie zeigt uns menschliche Größe, sie lässt uns aber auch in tiefste menschliche Abgründe blicken. Insofern kann man aus der Geschichte tatsächlich viel lernen.

Die Formel vom Lernen aus der Geschichte meint allerdings noch etwas anderes, als das Verstehen menschlicher Handlungsweisen. Die Formel vom Lernen aus der Geschichte meint, dass man aus der Geschichte Schlüsse ziehen soll und diese Schlüsse dann als Handlungsanweisung für das eigene Leben gebrauchen soll. Und genau hier wird es problematisch.


Der Mensch lernt aus der Erfahrung, vor allem aus der eigenen Erfahrung.
Der Mensch kann auch aus der Erfahrung anderer lernen, indem er diese Erfahrungen beobachtet und analysiert. Bei dieser Analyse jedoch kann es passieren, dass unterschiedliche Personen zu ganz unterschiedlichen Schlüssen kommen. Anders gesagt, manchmal kann man durchaus recht unterschiedliche Lehren aus der Geschichte ziehen.

Nun haben die staatlichen Institutionen bestimmte Vorstellungen davon, welche Lektionen aus der Geschichte gelernt werden sollen. Es ist sicherlich berechtigt, dass die staatlichen Instituionen da bestimmte Vorstellungen haben. Dennoch ist dies auch problematisch, weil den Leuten auf diese Weise die Freiheit des selbständigen Denkens genommen wird. Der Menschen möchte jedoch gerne frei und selbständig denken.

Hinzu kommt noch die Frage der Zeitumstände. Es gibt sicherlich Lehren aus der Geschichte, die zeitlos sind und die für jede Generation hilfreich sind. Doch nicht jede Lehre aus der Geschichte ist auch passend für die heutige Zeit.

Und zu guter Letzt: "Die Menschheit macht immer die gleichen Fehler" sagte mein Gesprächspartner im eingangs erwähnten Gespräch. Sicher, das hat er schon recht. Aber wer kennt das nicht von sich selbst? Wer macht nicht immer mal wieder die gleichen Fehler? Das ist wohl eine menschliche Grundkonstante.

Freitag, 1. Juli 2016

Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt (Joh 1,27)

Ich lese gerade das Johannes-Evangelium. Ein sehr berührender Text.

"Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt." (Joh 1,27)

Diese Stelle hat mich sehr berührt. Mein Verlobter meinte, diese Stelle sei bitter, weil Gott mitten unter den Menschen war, die Menschen ihn aber nicht erkannt haben, manchmal auch nicht erkennen wollten. "Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf." (Joh 1,11)

Für mich jedoch ist Joh 1,27 nicht in erster Linie bitter. Für mich umfasst der Satz die ganze Passion Jesu. Er kam in die Welt und hat sozusagen das ganze Leid der Menschheit gelitten. Er wurde verhöhnt, verachtet, verlassen. Er litt unbeschreibliche Schmerzen. Zugleich hat er uns durch sein Leid und durch sein Blut freigekauft, uns erlöst von unserer Schuld.

Er ist in das Dunkel dieser Welt hineingegangen und hat es so von innen her aufgebrochen.

"Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt."

Donnerstag, 30. Juni 2016

Fokussierung

Neulich stand ich im Supermarkt vor einem Regal und überlegte intensiv welches Produkt ich nun nehmen solle. Dabei nahm ich die Geräuschkulisse um mich herum wohl wahr, beachtete sie aber nicht weiter. Für mich ist das nur ein Geräuschbrei.

Plötzlich merkte ich, dass eine Frau offenbar schon mehrmals versucht hatte, mich anzusprechen. Sie wollte gerne an mir vorbeigehen, mein Einkaufswagen stand aber im Weg. Hoppla.

Manchmal wünsche ich mir in solchen Situationen, die Leute hätten etwas weniger Hemmungen, mich einfach anzutippen. Oder mit der Hand in meinem Blickfeld herumzuwedeln. Wenn ich in Gedanken versunken bin, und irgendwo stehe, wo es ohnehin laut ist, merke ich nicht, wenn jemand mit mir spricht.

Immerhin ist aber genau diese Möglichkeit, Umgebungsgeräusche völlig auszublenden, sich auf eine bestimmte Sache zu konzentrieren, der Grund, warum ich meistens recht entspannt unterwegs bin. Man kann sich etwas besser von der Außenwelt - sagen wir - distanzieren.

Ein Priester legte mir einmal nahe, die Schwerhörigkeit auch positiv zu sehen. Ich hätte die Möglichkeit, mir das zu verschaffen, was viele Normalhörende sich nicht verschaffen könnten, nämlich Ruhe. Die Ruhe wiederum würde mir eine viel intensivere Gottesbegegnung ermöglichen.

Montag, 20. Juni 2016

Sehen

Eine Tübinger Ordensschwester feierte kürzlich ihr 60-jähriges Professjubiläum. Sie bedankte sich mit einer Karte für die Glückwünsche. In dieser Karte stand ein Gedicht über das Sehen, den ich als visuell denkender Mensch hier gerne teilen möchte.

"Unser Sehen ist sehr kostbar.
Es lässt und Menschen und die Umgebung vielseitig wahrnehmen. Es bereichert so das Leben und unser Barmherzig-Sein.
Mit der Sprache der Augen dem anderen Freundlichkeit und Wohlwollen zeigen. Dem anderen bei der Begegnung einen aufmerksamen Blick schenken.
Mit wachsamen Blicken um sich schauen, ob mein Handeln nötig ist und hilfreich.
Den anderen anschauen, um ihm dadurch ansehen zu schenken.
Korrekturen einsehen und veränderungsbereit sein.
Sich vor dem Wegsehen und Übersehen in Acht nehmen.
Unangenehmes oder kleine Fehler großherzig übersehen.
Bei Fehlverhalten Nachsicht und Vergebung schenken."

Sr. Ursula Bittner

Sonntag, 19. Juni 2016

Treppenplatz in Polen

Da Krakau ein Städtepartnerschaft mit Nürnberg hat, findet sich dort eine Treppe mit einem Selbstporträt des Nürnberger Malers Albrecht Dürer:

https://www.facebook.com/MadeinKrakow/photos/a.293511750798698.1073741828.293488414134365/639567229526480/?type=3&theater

Nimmt man einen etwas größeren Kontext in den Blick, dann sieht die Treppe jedoch nicht mehr ganz so romantisch aus, wie auf dem Foto von Przemek Czaja ;-)

http://20lat.dom-norymberski.com/projekt20/olaf-prusik-lutz/

Montag, 30. Mai 2016

Die Schönheit der Schöpfung

Eigentlich möchte ich keine niederschwelligen Schönwetter-Posts schreiben. Aber ich habe so schöne Fotos von meiner letzten Reise nach Polen wie auch aus dem Alltag. Und da Gott die Welt erschaffen hat, können wir Gott auch in der Schönheit der Schöpfung finden. So lautet die Inschrift einer Wegkapelle in meiner Heimat:

"Im Weiten Spiegel der Natur siehst du des großen Gottes Spur. Doch willst du ihn noch größer sehn, so bleib bei diesem Kreuze stehn."





In einem Gebetbüchlein fand ich den Spruch: "Freu dich recht von Herzen, Kind. Gott will, dass wir fröhlich sind."

In diesem Sinne:





















Mittwoch, 23. März 2016

Ein paar unsortierte Gedanken zu Kreuz und Leid

In unserer Gemeinde gibt es ein Fastentuch, oder Hungertuch.

Die Bilder, die auf dem Hungertuch abgebildet sind, wurden von Kindern des katholischen Kinderhauses St. Johannes Tübingen gemalt. Sie haben sich im Kindergarten mit dem Kreuzweg Jesu beschäftigt.

Das Foto rechts unten zeigt den Altarraum von St. Johannes. Das Kreuz über dem Altar ist mit diesem Fastentuch verhängt worden.

Die Bilder gefallen mir (auch wenn ich ehrlich gesagt nicht immer erkenne, was auf den Bildern dargestellt ist) und es freut mich, dass die Kinder sich so intensiv mit dem Leidensweg Jesu auseinandergesetzt haben. Gerade auch im Vergleich zu den recht seltsamen "Installationen" der letzten Jahre ist das Tuch sehr gelungen.

Trotzdem stehe ich ein bisschen auf dem Schlauch. Irgenwie entsteht bei mir der Eindruck, dass hier sozusagen der Schrecken des Kreuzes in bunte Kinderbilder verpackt und somit verharmlost werden soll.

Sicher ist es so, dass wir Christen den Karfreitag im Lichte von Ostern sehen und dass im Blick des Glaubens das Kreuz eben nicht mehr ein Zeichen des Schreckens, sondern ein Zeichen der Erlösung ist.

Dennoch ist da am Karfreitag zunächst einmal das Leiden und der Tod Jesu. Durch die Auferstehung wird das Leid verwandelt, aber es wird dadurch ja nicht weniger schlimm. Da ist also zunächst das Dunkel und auch der Schrecken. Das Kreuz ist eben auch ein Zeichen, das irritiert.

Ich frage mich, ob man dem Kreuz nicht seine irritierende Wirkung auch lassen sollte. Joseph Ratzinger hat einmal in Bezug auf Martin Luther gesagt, dass der Mensch zunächst einmal auch über sich erschrecken muss, bevor er zu Gott finden kann. (Vgl. Joseph Ratzinger: Salz der Erde, München 2007, S. 28.)

Hinzu kommt, dass das Kreuz sozusagen die Grundlage des christlichen Glaubens ist: "Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig." (Mt 10,38) Das Kreuz enthält also auch ein Anspruch an uns. In der Geschichte der Kirche hat es viele Gläubige gegeben, die für ihren Glauben mit dem Leben bezahlt haben. Dieser Aspekt wird meiner Meinung nach in der Verkündigung in Deutschland doch sehr vernachlässigt.

Das Hoffnungsvolle des Kreuzes liegt aus meiner Sicht nicht darin, dass das Leiden schnell von der Auferstehung abgelöst wird. Der hoffnungsvolle Aspekt des Kreuzes liegt darin, dass Jesus am Karfreitag in den tiefsten Abgrund der menschlichen Existenz hineingegangen ist und so das Leid und den Tod von innen her aufgebrochen hat.



Samstag, 19. März 2016

Schwerhörigkeit als Vorteil?

Der Kolumnist Harald Martenstein scheint inzwischen schwerhörig zu sein. In einer Kolumne in der Zeit schreibt er über den Vorteil der Schwerhörigkeit.

http://www.zeit.de/zeit-magazin/2016/09/harald-martenstein-kommunikation-diskussion-hoeren-schwerhoerigkeit

Dass Hörgeschädigte als gute Zuhörer gelten, kommt mir bekannt vor. Mir wurde auch schon gesagt: "Danke, Sarah, dass du mir so lieb zugehört hast." Der hörende Mann meiner hörgeschädigten Freundin hat es etwas anders ausgedrückt: "Ihr seid immer der Mülleimer. Alle Leute erzählen euch ihren Mist, weil ihr sie beim Reden nicht unterbrecht und sie immer so aufmerksam anschaut."

Ein Satz von Harald Martenstein gefällt mir besonders: "Widerspruch, der lange, komplexe Antworten provoziert, kann ich mir wegen meines Gehörs nicht mehr leisten." Das ist ein Punkt, der mich manchmal sehr belastet, dass ich nämlich in kontroversen Diskussionen oder bei Meinungsverschiedenheiten gehörmäßig oft gar nicht mitkomme und deswegen auch nicht in der Lage bin, meine Meinung oder meine Position zu erläutern. Da fühle ich mir sehr schnell ohnmächtig. Manchmal kann ich damit gut leben, aber manchmal gibt es natürlich auch Situtationen, wo ich meine Meinung gerne verteidigen würde. Und wenn man sich dann so ohnmächtig fühlt, ist das einfach blöd.

Dass die Menschen netter sind, wenn man nicht immer hört, was sie sagen, würde ich unterstreichen wollen ;-)

Freitag, 18. März 2016

Erlöser der uns bis zum Ende geliebt


Typisches Telefonat einer Schwerhörigen

Mann: "Die Nummer ist: eins, sieben, null, drei, minus, drei, eins, minus, eins, sechs, eins, null, minus, fünf."

Ich notiere: 70731716107z

Als ich das vorlese, fällt dem Mann natürlich auf, dass ich das falsch verstanden habe, also diktiert er nocheinmal:
"eins, sieben, null, drei, Bindestrich, drei, eins, Bindestrich, eins, sechs, eins, null, Bindestrich, fünf."

Ich notiere: 1703-31-1610-z

Schon besser aber noch nicht ganz richtig. Ich frage ob das letzte eine Zahl oder ein Buchstabe ist. Er sagt: "Die Zahl fünf". Ich frage: "Sechs?" Er: "Nein, fünf."

Ich überlege. Ich habe schon wieder sechs oder "zet" verstanden, aber das ist ja beides falsch. Es ist kein Buchstabe, sondern eine Zahl. Hmmm..... Schließlich geht mir ein Licht auf: 5!

Vielleicht kann man sich anhand dieses Dialogs ein klein bisschen vorstellen, wie Hörgeschädigte hören. Wenn ich statt "fünf" "sechs" oder "zet" heißt das eben, dass ich sehr viele Laute (etwa f und s) gar nicht richtig höre.

Dienstag, 19. Januar 2016

Gebärdensprache

Ich möchte hier auf ein Video der Aktion Mensch hinweisen.

Eine gehörlose Mutter und ihre hörende Tochter erzählen von ihrem Familienalltag.

https://www.aktion-mensch.de/magazin/fokus/gehoerlose-eltern.html

Nachtrag zu Weihnachten



"O tröstliche Zeit, die alle erfreut; sie lindert die Schmerzen, sie wecket die Herzen, zum Danke, zur Liebe, zur himmlischen Freud."

Nach einer feiertagsbedingten Blogpause, die dann doch sehr lang geworden ist (was nicht beabsichtigt war), tauche ich nun wieder aus der Versenkung auf.

Weihnachten ist aus meiner Sicht das schönste Fest im Jahr. Deswegen möchte ich es natürlich so lange wie möglich auskosten :-) Bei mir geht Weihnachten bis Mariä Lichtmess. Mein Weihnachtsbäumchen steht noch und Plätzchen sind auch noch reichlich vorhanden.

Was ist nun eigentlich die tröstliche Botschaft von Weihnachten?


„Heute ist uns der Heiland geboren, hinein in diese Welt. Muss uns da nicht wieder Staunen und Verwunderung ergreifen, aber auch Anbetung und Dank? Sicherlich, angesichts des Zustandes dieser Welt verstehen wir nicht, dass Gott diese Welt dennoch liebt. Aber es ist so! Und darum haben wir auch keinen Grund, der Welt unsere Liebe, unser Engagement, unser Mitleid und unsere Sympathie aufzukündigen, ihr den Rücken zuzukehren. Sondern weil Gott in der Geburt seines Sohnes an Weihnachten sich in dieser unwahrscheinlichen Weise mit der Welt identifiziert hat, sind auch wir dazu eingeladen. Es ist nicht die Welt! Es ist unsere Welt! Vergessen wir nicht, was Johannes, der Lieblingsjünger, vor der Krippe bezeugt: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab“. Darum hat unser liebes deutsches Weihnachtslied schon recht, wenn wir singen: „Welt ging verloren, Christ ist geboren. Freue, freue dich, du Christenheit!“.“

http://www.erzbistum-koeln.de/erzbistum/alterzbischof_meisner/predigten_hirtenworten_ansprachen/Predigten/jcm_pr_121224_christmette.pdf

Zu guter Letzt: Es gibt ja Leute, die unheimlich gerne betonen, dass Weihnachten ohne Ostern keinen Sinn mache. Das ist mir schon klar. Aber ohne Weihnachten würde es Ostern gar nicht erst geben. Punkt.