Jasna Góra

Jasna Góra

Freitag, 15. Juli 2016

"Kann man aus der Geschichte lernen?"

Diese Frage wurde mir kürzlich in einem Gespräch gestellt, nachdem man mich gefragt hatte, was ich beruflich mache und ich erwiederte, dass ich Historikerin sei.
Und da man dieser Tage, nach dem Brexit-Referendum des öfteren liest, die Menschen hätten nichts aus der Geschichte gelernt (z.B. hier), dachte ich, dass sei ein interessantes Thema für einen Blogeintrag.

Kann man also aus der Geschichte lernen?
Ehrlich gesagt, ich habe immer ein bisschen Bauchgrimmen, wenn Leute sich daran machen, die Geschichte als pädagogisches Instrument zu gebrauchen.

Es ist sicher so, dass die Geschichte uns tiefe Einblicke eröffnet in die Funktionsweise von Gesellschaften, in die Funktionsweise von Politik und Wirtschaft. Sie eröffnet uns Einblicke in die menschliche Psyche, sie zeigt uns menschliche Größe, sie lässt uns aber auch in tiefste menschliche Abgründe blicken. Insofern kann man aus der Geschichte tatsächlich viel lernen.

Die Formel vom Lernen aus der Geschichte meint allerdings noch etwas anderes, als das Verstehen menschlicher Handlungsweisen. Die Formel vom Lernen aus der Geschichte meint, dass man aus der Geschichte Schlüsse ziehen soll und diese Schlüsse dann als Handlungsanweisung für das eigene Leben gebrauchen soll. Und genau hier wird es problematisch.


Der Mensch lernt aus der Erfahrung, vor allem aus der eigenen Erfahrung.
Der Mensch kann auch aus der Erfahrung anderer lernen, indem er diese Erfahrungen beobachtet und analysiert. Bei dieser Analyse jedoch kann es passieren, dass unterschiedliche Personen zu ganz unterschiedlichen Schlüssen kommen. Anders gesagt, manchmal kann man durchaus recht unterschiedliche Lehren aus der Geschichte ziehen.

Nun haben die staatlichen Institutionen bestimmte Vorstellungen davon, welche Lektionen aus der Geschichte gelernt werden sollen. Es ist sicherlich berechtigt, dass die staatlichen Instituionen da bestimmte Vorstellungen haben. Dennoch ist dies auch problematisch, weil den Leuten auf diese Weise die Freiheit des selbständigen Denkens genommen wird. Der Menschen möchte jedoch gerne frei und selbständig denken.

Hinzu kommt noch die Frage der Zeitumstände. Es gibt sicherlich Lehren aus der Geschichte, die zeitlos sind und die für jede Generation hilfreich sind. Doch nicht jede Lehre aus der Geschichte ist auch passend für die heutige Zeit.

Und zu guter Letzt: "Die Menschheit macht immer die gleichen Fehler" sagte mein Gesprächspartner im eingangs erwähnten Gespräch. Sicher, das hat er schon recht. Aber wer kennt das nicht von sich selbst? Wer macht nicht immer mal wieder die gleichen Fehler? Das ist wohl eine menschliche Grundkonstante.

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