Jasna Góra

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Dienstag, 16. Dezember 2014

Warszawo ma - Eine Liebeserklärung an Warschau

"Warschau. Eine seltsame Stadt. Nicht gemocht. Ständig kritisiert. Voller Unordnung. Abgewendet vom Fluss. Eine Stadt, die nicht sein sollte, aber ist. Schön. Stolz. Geheimnisvoll. Mit einer Atmosphäre, wie sie sonst nirgendwo zu finden ist. Voller Widersprüche." (Agnieszka Grochowska)

Da ich Weihnachten in Polen verbringen werde, platze ich schon vor Vorfreude. Ganz besonders freue ich mich auf Warschau, da bin ich nämlich schon ein Jahr lang nicht mehr gewesen.

Das obige Zitat beschreibt die Stadt wunderbar.
Es stimmt, Warschau ist chaotisch. Warschau ist voller Kontraste. Und viele Leute kritisieren Warschau und preisen Krakau als schönste Stadt Polens an. Auch das stimmt. Krakau ist wunderschön. Krakau ist magisch. Krakau hat ein stolze Geschichte. Und: Das katholische Herz Krakaus schlägt lauter als das in Rom. Sagt jedenfalls ein Krakauer Taxifahrer. Wer sich vom Zauber dieser Stadt erfüllen lassen möchte, wir hier fündig.

Krakau, Marienkirche, Marktplatz


Aber Warschau mag ich auch. Ich mag gerade das Widersprüchliche, das Chaotische, das Gebrochene.
"Kaum ist man dem labyrinthartigen Gewürm im Untergrund des Zentralbahnhofs entkommen und ans Warschauer Tageslicht gelangt, zeigt sich die Stadt wie in einem schrillen Kaleidoskop. Der von den Warschauern geliebt-gehasste Kultrupalast erschlägt mit seinem Bombast, fast ein Gefühl des Schwindels erzeugen gigantische Plakatwände, vorbeihetzende Menschen, himmelsstümende Wolkenkratzer, zwischendurch ein restaurierter Jugenstilpalast oder ein fahlgraues Überbleibsel aus sozialistischer Zeit."(Magdalena Niedzelska/Jan Szurmant: Warschau, Michael Müller Verlag 2010, S. 12.)

Warschauer Skyline

Kulturpalast
Hier sieht man auch diese gigantischen Plakatwände

Ja, Warschau ist chaotisch. Es ist eine hypermoderne Metropole mit allen Licht- und Schattenseiten. Es ist eine Stadt voller Kontraste, ein Stadt, wo West und Ost, arm und (neu-)reich, Tradition und Moderne aufeinander prallen. Aber Warschau ist auch eine Stadt, die wie keine andere aus dem Martyrium heraus lebt. Die Tragik ihrer Geschichte macht die besondere Atmosphäre dieser Stadt aus.

Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand. Es war ein Aufstand, der sich einerseits gegen die deutschen Okkupanten richtete, die die Stadt immer noch besetzt hielten. Andererseits richtete sich der Aufstand auch gegen die Rote Armee, die bereits am anderen Weichselufer stand und sich anschickte, ganz Osteuropa unter sowjetische Kontrolle zu bringen. Die Armia Krajowa, die den Aufstand organisierte, kämpfte also für ein unabhängiges Polen, das frei von Deutschland und eben auch frei von der Sowjetunion ist. Der Zeitpunkt für den Aufstand schien gut gewählt, weil die deutsche Armee sich bereits auf dem Rückzug befand und in Kämpfe gegen die Rote Armee verwickelt war. Doch dann stellte die Rote Armee ihr Feuer gegen die Deutschen ein und gab den Deutschen so die Chance, den Warschauer Aufstand niederzuschlagen.
Nach 63 Tagen wurde der Aufstand niedergeschlagen, die Kämpfer der Armia Krajowa wurden in verschiedene Lager deportiert. Die Bevölkerung Warschaus (also die wenigen, die noch da waren) wurde evakuiert. Dann begannen die Deutschen, die Stadt systematisch in Schutt und Asche zu legen. Warschau und sein Geist der Freiheit sollten nicht mehr existieren. Als die Rote Armee schließlich in Warschau einmarschierte, gab es kein Warschau mehr.

Vor der Heilig-Kreuz-Kirche in Warschau steht ein kreuztragender Christus. Bereits während des Krieges galt dieser Christus als Symbol für das leidende Polen. Durch die Gefechte während des Aufstandes wurde die Staue beschädigt und fiel auf die Straße. Das Foto davon ging um die Welt und der gefallene Christus wurde zum Symbol für das gefallene Warschau.

So sieht er heute aus...

Ein noch schöneres Foto vom kreuztragenden Christus gibt es hier.

...und so sah er 1944 aus.


Schauen wir uns noch kurz an, was Johannes Paul II. 1979 in seiner Predigt auf dem Siegesplatz in Warschau (heute Pilsudskiplatz) sagte:
"Es ist unmöglich, diese Stadt, Warschau, die Hauptstadt Polens, die sich im Jahre 1944 auf einen ungleichen Kampf gegen den Aggressor einließ - einen Kampf, bei dem die verbündeten Mächte sie im Stich ließen, einen Kampf, in dem sie unter ihren eigenen Trümmern begraben wurde -, es ist unmöglich, diese Stadt zu verstehen, wenn man sich nicht daran erinnert, daß unter diesen Trümmern auch Christus, der Erlöser, mit seinem Kreuz lag, der sich heute vor der Kirche in Krakowskie Przedmiescie befindet."

Am Ende siegte der polnische Trotz: Die Stadt wurde originalgetreu wieder aufgebaut. Manche Gebäude, wie etwa das Warschauer Schloss, wurden erst in den 1980er Jahren wieder errichtet. Die Stadt stieg im wahrsten Sinne des Wortes wie Phönix aus der Asche. Das ist einmalig in der Geschichte.

Schlossplatz in Warschau. Die Kirche in der Mitte ist die Kathedrale.

Blick auf das Schloss

Sigismundsäule. Und die Dame mit der roten Mütze bin ich.
 
Auch die Sigismundsäule ist ein Symbol für die Wiedererstehung Warschaus. Ich weiß nicht, ob man das sehen kann: Der gute Sigismund hält ein Kreuz in seiner linken Hand. Diese Säule ist also in zweierlei Hinsicht ein Siegessymbol. Einmal wegen dem Kreuz, das für uns Christen ja kein Schreckens- sondern ein Siegessymbol ist, und einmal, weil diese Säule eben auch den Wiederaufstieg Warschaus symbolisiert.

Inzwischen wird jedes Jahr am 1. August eine Schweigeminute eingelegt, die an den Aufstand erinnern soll.



Am Abend treffen sich die Warschauer und singen Lieder aus der Zeit des Aufstandes. Eines von den Liedern heißt "Warszawo ma" ("Oh, du mein Warschau"). Ihr findet es hier.

Vor dem Krieg galt Warschau als Paris des Ostens. Heute ist es auf dem besten Wege, wieder Paris des Ostens zu sein. Und welche Stadt könnte die Geschichte Polens besser wiederspiegeln, als Warschau, das letztlich ein lebendes Denkmal ist? Und hat die Geschichte Warschaus nicht auch eine unglaublich hoffnungsvolle Botschaft? Es ist eine Stadt, die sich während des Krieges wie keine andere Stadt in Europa mit dem leidenden Christus identifiziert hat. Es ist eine Stadt, die wie keine andere in Europa der Vernichtung preisgegeben war. Und heute lebt und blüht diese Stadt.

Also: Schluss mit Paris, Barcelona, Mailand etc.! Fahrt lieber nach Osten! Ex Oriente Lux!

2 Kommentare:

  1. In unserer Stadt läuten sämtliche Glocken an dem Tag und zu der Uhrzeit, in der diese Stadt von den Alliierten zu 90 % zerstört wurde.
    Für mich, deutlich nach dem Krieg geboren, ist das immer wieder ein Erlebnis: NIE WIEDER KRIEG!
    Möge Gott es uns geben ...

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