Jasna Góra

Jasna Góra

Donnerstag, 16. Juli 2015

Fohlen

Ich war einmal bei einer genetischen Beratung. Dort sagte mir die Ärztin, dass Schwerhörigkeit in Österreich eine Indikation für Abtreibung sei. Sprich, wird bei einer Untersuchung des ungeborenen Kindes festgestellt, dass es schwerhörig ist/sein könnte, dann darf das Kind abgetrieben werden.

Wenige Wochen später blätterte ich in einem alten Wendy-Buch herum. Ich habe es bestimm seit 15 Jahren nicht mehr in der Hand gehabt. An einer Stelle ging es um eine trächtige Stute und ihr Folen. Der Tierarzt befürchtete, dass das Fohlen nicht lebend auf die Welt kommen würde.
"Tränen stiegen Wendy in die Augen. Sie wandte sich ab und lief hinaus. [...] Warum mußte so etwas passieren? Warum sollte ein noch ungeborenes Fohlen sterben, bevor es das Licht der Welt erblickt, bevor es ein einziges Mal den Duft des frischen grases, der Blumen und der Kräuter geschuppert hatte, bevor es auf seinen langen Beinen ein einziges Mal über die Weide gelaufen war? Sie konnte es nicht verstehen." (Hans G. Franciskowski: Wendy. Ein Fohlen für Rodna, Stuttgart 1991)

Mir blieb bei der Lektüre dieser Zeilen doch ein bisschen die Spucke weg. Da weint ein junges Mädchen um ein ungeborenes Fohlen, dass nicht auf die Welt kommen kann. Sicher, Wendy ist eine fiktive Figur. Dennoch glaube ich, dass der Autor es für realistisch hielt, dass junge Mädchen so denken, wenn sie von dem bevorstehenden Tod eines ungeborenen Fohlens erfahren. Sonst hätte er es ja nicht geschrieben.

Jahr für Jahr sterben ich-weiß-nicht-wie-viele Kinder im Mutterleib. Auch sie dürfen nicht auf die Welt kommen. Auch sie haben nie die Möglichkeit, über eine Blumenwiese laufen, sie haben nie die Gelegenheit ein Eis zu schlecken, im Freibad zu planschen etc. Das oben genannte Fohlen wäre gestorben, weil die Mutterstute krank war. (Wie das in Romanen so ist, die Story ging gut aus, das Fohlen überlebte und die Stute auch.) Die Kinder, von denen ich spreche, sterben, weil sie gezielt getötet werden. Stichwort: Abtreibung. Wenn es um das Thema Abtreibung geht, dann weint niemand. Da sagen alle immer, es sei das gute Recht der Mutter, das Kind abzutreiben.

Wo genau liegt jetzt der Unterschied zwischen dem ungeborenen Kind im Mutterleib und dem ungeborenen Fohlen im Mutterleib? Irgendwie verstehe ich das nicht.

1 Kommentar:

  1. Das Fohlen ist kein Mensch, das ist der kleine Unterschied. Auch Seerobbenbabys sind schützenswert. Menschen gibt's zu viele, höchstens 1 - 2 Millionen (vielleicht auch Milliarden, aber das spielt bei der derzeitigen Anzahl an Menschen auf dieser Erde eine untergeordnete Rolle) dürfen es sein.

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