Jasna Góra

Jasna Góra

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Immer freundlich lächeln

Schwerhörige haben es so an sich, dass sie im Zweifelsfalle immer freundlich lächeln (und nicken). Es gibt Situationen, da möchte man das Gegenüber nicht noch einmal um Wiederholung bitten. Etwa wenn man schon gefühlte hundertmal nachgefragt hat, den Satz aber immer noch nicht verstanden hat, wenn man gleichzeitig immer überlegt und überlegt aber einfach nicht dahinter kommt, was das Gegenüber gesagt haben könnte, wenn man dabei noch an der Kasse steht und in der Schlange hinter einem die Leute zornesrote Köpfe haben, weil sie schon so lange warten müssen... Also freundlich lächeln und nicken. Auf die Überraschungen, die dann passieren, ist man als Hörgeschädigter sowieso schon gefasst.

Montags vor der Abendmesse wir in meiner Pfarrei der Rosenkranz gebetet. Ich kam also in die Kirche und setzte mich in eine Bank. Einige "Betschwestern" waren schon da. Eine von ihnen dreht sich zu mir um und sagte irgend etwas. Ich habe nichts verstanden, denn in der Kirche wird ja geflüstert und das ist für Schwerhörige die denkbar ungünstigste Kommunikationsart. Ich dachte, die Dame hätte mir mitgeteilt, welchen Rosenkranz wir beten. Das macht sie nämlich freundlicherweise immer. Also lächelte ich und nickte. Ich hatte keine Lust nachzufragen und welchen Rosenkranz wir beteten, würde ich ja dann herausfinden. Die Dame schüttelte energisch den Kopf und wiederholte das Gesagte. Leider verstand ich wieder nichts und von den Lippen absehen ging nicht, weil sie sich sehr bemüht hat, möglichst deutlich zu artikulieren, was aber dann dazu führte, dass das Lippenbild verzerrt aussah. Ich lächelte wieder und nickte wieder. Sie schüttelte wieder energisch den Kopf. So ging das noch ein drittes Mal. Beim vierten Mal habe ich den Satz verstanden. Er lautete: "Welchen Rosenkranz sollen wir beten?"

Tja. Nicken und lächeln war in diesem Falle tatsächlich nicht die angemessene Reaktion

Als Teenager habe ich eine zeitlang eine andere Strategie ausprobiert: Statt freundlich zu nicken und zu lächeln sagte ich einfach immer "Weiß ich nicht", wenn ich etwas nicht verstanden hatte. Aber auch das bringt einen in die skurillsten Situationen. Als ich ca. 11 Jahre alt war, fragte mich jemand, wie alt ich sei. Ich hatte die Frage nicht verstanden und gemäß meiner erfolgversprechenden neuen Kommunikationsstrategie antwortete ich: "Weiß ich nicht." Ich möchte auch gar nicht wissen, wieviele Leute mich für strohdumm gehalten haben, weil ich immer sagte: "Weiß ich nicht."

Trotz solcher Pannen hat die Weiß-ich-nicht-Strategie einen entscheidenden Vorteil. Sie führt nämlich dazu, dass die Leute nicht weiter nachbohren. Die Kommunikation ist beendet. Lächelt man stattdessen freundlich und nickt, muss man damit rechnen, dass das Gegenüber weiterredet und eventuell weiterfragt. Und mit jedem weiteren Lächeln und Nicken reitet man sich weiter in den Schlamassel, denn man versteht ja nicht, wozu man da immer nickt.

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