Jasna Góra

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Sonntag, 23. November 2014

Alles barrierefrei?

Vergangenen Dienstag war ich an der VHS, wo ich einen Vortrage besucht habe. Der Vortrag fand im Saal der VHS statt. An der Tür des Saales hing groß und breit ein Schild mit folgendem Symbol:



Dieses Symbol bedeutet, dass in dem Raum eine Induktionsanlage vorhanden ist, die und Schwerhörigen barrierefreiese Verstehen ermöglicht. In den Boden ist eine Magnetschleife eingelassen und man muss sein Hörgerät auf T stellen. Dann überträgt die Magnetschleife das Gesprochene direkt ins Hörgerät und man kann den Sprecher wunderbar verstehen. Vorausgesetzt, dieser trägt ein Mikrofon (ich meine jetzt ein normales Mikrofon für alle). Die Induktionsalage funktioniert im Zusammenspiel mit einer normalen Lautsprecheranlage.
Eine Induktionsanlage ist vor allem dann sinnvoll, wenn mehrere Hörgeräteträger in einem Vortrag sitzen. Wäre da keine Induktionsanlage, müsste jeder Hörgeschädigte seine FM-Anlage auspacken, was bedeutet, dass der Referent 3,4,5... Mikrofone tragen müsste.

Auf dem Schild stand also geschrieben: Dieser Raum ist mit einer Induktionsanlage ausgestattet Bitte stellen Sie ihr Hörgerät auf "T". Oder so ähnlich. Ich freute mich. Wenn es nämlich ein einem Raum eine Induktionsanlage gibt, bedeutet das für mich barrierefreies Hören. Dann kann ich nämlich auf meine FM-Anlage, die ich ja normalerweise bei Vorträgen immer benutze (und die ja eben nur für mich ist, weil ich die Empfänger am Hörgerät habe), verzichten. Das bedeutet, ich brauch nicht vor aller Augen nach vorne zu gehen und den Referenten oder die Referentin bitten, meine FM-Anlage zu benutzen. Ich brauche nicht zu erklären warum, wieso, weshalb ich das brauche, warum, wieso, weshalb es nicht ausreicht, wenn ich einfach in der ersten Reihe sitze etc. etc. Ich kann mich einfach mal ganz anonym in den Raum begeben, mich sogar ganz anonym in die allerletzte Reihe setzen, so wie die Guthörenden das immer machen, und einfach nur mein Hörgerät auf T stellen und schon höre ich gut. Großartig!

Dachte ich jedenfalls. Allerdings trug die Referentin kein Mikrofon und ich ahnte, dass es mit dem barrierefreien Hören nichts werden würde. Und tatsächlich, als ich mein Hörgerät auf T stellte, tat sich nichts. Ich konnte zwar an einem Geräusch erkennen, dass eine Induktionsanlage existiert, aber da die Referentin kein Mikro trug, wurde in die Anlage nichts eingespeist, so dass sie auch nichts in mein Hörgerät übertragen konnte.

Also FM-Anlage ausgepackt, Vortrag unterbrochen und die Referentin gebeten, meine FM-Anlage zu benutzen.


Nach dem Vortrage erkundigte ich mich im Sekretariat der VHS und wurde an den Hausmeister verwiesen. Dieser dachte nun zunächst ich sei Dozentin und bräuchte die Anlage für irgendwelche älteren Herrschaften, die sich in meinem Publikum befänden. Dass jemand, der so jung ist, wie ich, Hörgeräte trägt, konnt er sich zunächst gar nicht vorstellen. Er sprach etwas undeutlich, so dass ich ihn nicht gut verstehen konnte (zumal er auch einen dicken Schnauzer trug, der das Absehen erschwerte). Daher dauerte es eine Weile, bis ich kapierte, was er dachte, und es dauerte noch eine Weile, bis ich ihm verklickert hatte, dass ich selbst Hörgeräte trage und mich nur erkundigen wollte, warum die Anlage zwar ganz offensichtlich vorhanden, aber nicht im Einsatz war.

Zunächst wollte der Herr mich für dumm verkaufen. Er meinte ich sei halt selbst Schuld, dass die Anlage nicht im Einsatz war. Er erklärte mir, dass die jeweiligen Referenten vorher anmelden müssten, wenn sie von der Anlage Gebrauch machen möchten, dann bekämen sie das Mikrofon. Äh, wie jetzt? Der Referent kann doch vorher gar nicht wissen, ob Schwerhörige in seinem Vortrag sitzen werden. Und woher hätte ich als Hörgeschädigte wissen sollen, dass die Dozentin die Anlage quasi hätte bestellen müssen? Das hat auf dem Schild nicht gestanden. Letztlich bedeutet das doch wieder, dass ich als Schwerhörige mich selbst drum kümmern muss, dass die Anlage im Einsatz ist und dass ich gut hören kann. Ich muss vorher der Dozentin auf die Füße treten und sagen: "Hallo, ich komme in ihren Vortrag, bitte sorgen Sie dafür, dass Sie das Mikrofon haben." Das wiederum ist aber keine Barrierefreiheit. Das ist ungefähr so, wie wenn man einen Bahnhof mit einem Aufzug ausstattet, den Bahnhof dann als barrierefrei bezeichnet, und dann aber sagt, dass der Aufzug nur dann benutzt werden kann, wenn man das mindestens 24 Stunden vorher anmeldet. (Man sage jetzt nicht, dass gibt es nicht. Gibt es doch: http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-siegen-kreuztal-netphen-hilchenbach-und-freudenberg/im-rollstuhl-laeuft-s-nicht-recht-id6622647.html)

Man verstehe mich bitte nicht falsch. Ich bin es gewohnt, mich um alles selbst kümmern zu müssen, selber dafür sorgen zu müssen, dass ich etwas verstehen kann. Das OK, ich bin schließlich erwachsen und es stört mich nicht weiter (abgesehen davon, dass man ständig auffällt). Hier war es aber nun so, dass eine Institution sich damit brüstete, barrierefrei auch für Hörgeschädigte zu sein. Und als ich dann von der Barrierefreiheit Gebrauch machen wollte, stellte sich heraus, dass das Gebäude doch nicht so barrierefrei war.

Ich finde, wenn man schon groß plakatiert, dass man im Saal eine Induktionsanlage hat, dann sollte diese Anlage doch bitte auch immer im Einsatz sein, egal ob ein Hörgeschädigter kommt, oder nicht. Erstens: Den Guthörenden schadet es schließlich auch nicht, wenn ein Mikrofon im Einsatz ist. Zweitens: Die barrierefreien Zugänge zu den Gebäuden sind ja auch immer da, auch an den Tagen, an denen mal kein Rollstuhlfahrer kommt.

In meiner Pfarrei ist es übrigens so, dass die Induktionsanlage immer eingeschaltet ist, wenn auch das normale Mikrofon an ist. Da wird nicht gefragt, ob wirklich ein Hörgeräteträger da ist. Wenn das Mikrofon an ist, ist auch die Induktionsanlage an. Hier kann ich tatsächlich mal ganz anonym in der allerletzten Reihe sitzen und trotzdem was verstehen. Toll!

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