Jasna Góra

Jasna Góra

Dienstag, 11. November 2014

Immer schön auffallen

Ein Leser hat im Kommentarbereich Folgendes gepostet:
"Irgendwann dachte ich, dass der liebe Gott mir diesen Sprachfehler in die Wiege gelegt hat, damit er mich vor unsinnigem Geschwätz meinerseits bewahren wollte."

In Falle meiner Schwerhörigkeit würde das dann heißen, dass Gott mich vor dem dummen Geschwätz der anderen bewahren wollte, nicht wahr :)

Spaß beiseite.

Schwerhörigkeit es so mit sich, dass man ständig auffällt, und zwar unangenehm auffällt. Zum Beispiel gestern. Ich hatte am Nachmittag im Nachhilfeinstitut gearbeitet und mit einer Schülerin etwas überzogen, weil wir unbedingt einen Lateinsatz noch zu Ende übersetzen wollten. Um 18 Uhr hatte ich dann Kolloquium in der Uni, zu dem ich dann leider 5 Minuten zu spät kam. Das mag ich gar nicht, denn ich nutze bei solchen Gelegenheiten eine Mikrolink-Anlage. Das ist ein Ansteckmikrofon, das steckt sich der Referent an und dann überträgt es direkt in die Empfänger, die ich am Hörgerät habe. Wenn ich aber nun zu spät komme und der Vortrag schon angefangen hat, habe ich die Wahl, mich entweder still dazuzusetzen und nichts zu verstehen (dann bräuchte ich eigentlich gar nicht hingehen), oder ich muss eben den Vortrag unterbrechen und den Referenten bitten, das Mikrofon anzustecken. Unangenehm. Gestern entschied ich mich für letzteres und dann war es glücklicherweise gar nicht so schlimm. Und der Vortrag war wirklich sehr spannend.

Zu den Peinlichkeiten, die einem so passieren, wenn man schwerhörig ist, hatte ich mich an anderer Stelle schon geäußert. Man beantwortet Fragen falsch, weil man sie falsch verstanden hat. Oder noch besser: man reagiert überhaupt gar nicht, weil man gar nicht gemerkt hat, dass da jemand mit einem gesprochen hat. Man kommt zu früh oder zu spät in die Schule, weil man nicht gehört hat, dass an diesem einen Tag der Unterricht anders stattfindet als normal. Auf einer Zugfahrt nach Altötting ist es mir mal passiert, dass ich hätte in München-Ost umsteigen müssen, es eine Durchsage gab, dass der Zug heute in München-Ost nicht halte und man deswegen bitte am Hbf austeigen solle. Diese durchsage hörte ich natürlich nicht und musste dann bis Rosenheim weiterfahren, um von dort nach Altötting zu fahren und war dann mehr als eine Stunde länger unterwegs. Immerhin habe ich so die Berge gesehen.

Kurz man fällt immer irgendwie auf, spätestens dann wenn man sagen muss: Sorry, ich bin schwerhörig. Können Sie das bitte noch einmal wiederholen.

Man wird auch öfter Mal von unbekannten Leuten angelabert, von wegen was man denn da hinter dem Ohr habe, und die sehen ja so schön aus (meine Ohrpassstücke sind weinrot und mit Brillies versehen), und es sei ja so toll, dass es heute solche Möglichkeiten gebe etc. Sicherlich ist das immer gut gemeint, aber gut gemeint ist leider nicht immer gut. Vor allen Dingen letzteres stößt mir manchmal übel auf. Ja, ich finde es auch toll, dass die Hörtechnik heute so weit entwickelt ist, dass es heute so tolle Hörgeräte gibt. Ich bin auch sehr dankbar dafür. Aber wenn ein Guthörender mit das sagt, dann klingt es immer ein bisschen so, als wolle er mir vorschreiben, wofür ich gefälligst dankbar zu sein habe. Oder als wolle er sagen: "Sehen Se mal, ist doch alles gar nicht so schlimm." Und das ist letztlich Bevormundung.

Ich bin eigentlich ein total schüchterner Mensch. Ich möchte eigentlich gar nicht auffallen, sondern lieber anonym irgendwo in der Masse verschwinden. Ich würde auch gerne mal einfach in der letzten Reihe sitzen, wo man vom Lehrer/Dozenten nicht gesehen wird. Wo man auch mal unauffällig die Vorlesung verlassen kann, wenn sie zu langweilig ist.

Stattdessen bin ich gezwungen, ein Leben mehr oder weniger auf dem Präsentierteller zu führen. Ich muss ständig in der ersten Reihe sitzen. Ich muss vor zweihundert Augenpaaren aufstehen, nach vorne gehen und dem Dozenten ein Mikrofon in die Hand drücken. Ich falle positiv auf (die Leute bewundern es, dass eine Schwerhörige Sprachen studiert), ich falle negativ auf (weil ich manchmal total unpassend reagiere).

Jedenfalls fragte ich mich eines Tages, warum der Liebe Gott ausgerechnet mich, wo ich doch so schüchtern bin, mit einer Schwerhörigkeit ausgestattet hat. Aber der Grund ist wohl genau der. Ich soll wohl einfach lernen, über meinen Schatten zu springen.

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